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Letzte Änderung für Artikel Kurmainz: 14.01.2006 16:57

Kurmainz

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Kurmainz war das Territorium der Kurfürsten und Erzbischöfe von Mainz im Heiligen Römischen Reich . Er gehörte mit Kurköln und Kurtrier zu den drei geistlichen Kurfürstentümern. Den drei rheinischen Erzbischöfen stand zusammen mit den Pfalzgrafen bei Rhein, den Markgrafen von Brandenburg, den Herzögen von Sachsen und den Königen von Böhmen seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht zur Wahl des römisch-deutschen Königs und Kaisers zu. Seit 1512 gehörte Kurmainz dem Kurrheinischen Reichskreis an.

Erzbischof Peter Aspelt von Mainz, Grabmal im Dom zu Mainz. Der Kirchenfürst ist in voller Amtstracht dargestellt. Über dem damals noch glockenförmigen Messgewand, der Kasel, trägt er als Zeichen seiner erzbischöflichen Würde das kreuzgeschmückte weiße Pallium. Die drei Könige stellen die von ihm gekrönten Johann von Böhmen, Heinrich VII. und Ludwig den Bayern dar. Die Könige sind kleiner dargestellt, um den Erzbischof als Hauptperson herauszustellen. Die architektonische Umrahmung zeigt gotische Formen.
Erzbischof Peter Aspelt von Mainz, Grabmal im Dom zu Mainz. Der Kirchenfürst ist in voller Amtstracht dargestellt. Über dem damals noch glockenförmigen Messgewand, der Kasel, trägt er als Zeichen seiner erzbischöflichen Würde das kreuzgeschmückte weiße Pallium. Die drei Könige stellen die von ihm gekrönten Johann von Böhmen , Heinrich VII. und Ludwig den Bayern dar. Die Könige sind kleiner dargestellt, um den Erzbischof als Hauptperson herauszustellen. Die architektonische Umrahmung zeigt gotische Formen.

Inhaltsverzeichnis

Das Gebiet des Kurfürstentums und des Erzbistums Mainz

Die Grenzen des Kurfürstentums und des Erzbistums stimmten geographisch nicht überein. Im Kurfürstentum (dem Erzstift ) war der Mainzer Erzbischof reichsunmittelbarer Fürst und damit weltlicher Herrscher, im Erzbistum geistlicher Oberhirte.

Den geistlichen Aufsichtsbereich des Mainzer Erzbischofs umfasste in seiner Eigenschaft als Metropolit die Mainzer Kirchenprovinz , dazu gehörten im Hochmittelalter die Suffraganbistümer Worms, Speyer, Konstanz, Straßburg , Augsburg, Chur, Würzburg, Eichstätt, Paderborn und Hildesheim.

Das Erzbistum Mainz war ein zusammenhängendes Gebiet und reichte vom Hunsrück über den nördlichen Odenwald, den Vogelsberg bis nach Einbeck und an die Saale .

Das Kurfürstentum Mainz (Kurmainz) war im Gegensatz zum Bistum stark zersplittert und umfasste nach dem Stand von 1787

  1. das Untere Erzstift, wozu Mainz, einige Orte südlich der Stadt, den Rheingau, die Gegend um Bingen, das Amt Oberlahnstein und ein langer Gebietsstreifen nordöstlich von Mainz, der sich von Höchst am Main in den Taunus hinein bis hin zur Burg Königstein erstreckte, gehörten und
  2. das Obere Erzstift, das heißt ein Rechteck von Seligenstadt im Norden über die Bergstraße und den Odenwald bis Heppenheim und Walldürn im Süden, zweigeteilt durch den Main, mit der Verwaltungshauptstadt Aschaffenburg.

Dazu kamen noch einige hessische Ämter, der Erfurter Staat, der Eichsfelder Staat sowie Anteile an den Grafschaften Rieneck (im fränkischen Kreis) und Königsstein (im oberrheinischen Kreis), an der Grafschaft Gleichen und an der Niederen Grafschaft Kranichfeld.

Die Fläche des Kurfürstentums betrug insgesamt 6150 km², die Einwohnerzahl 350.000. In der Stadt Mainz selbst lebten 30.000 Menschen.

Die historische Entwicklung von Kurfürstentum und Erzbistum

Das Mainzer Erzbistum wurde 780 /81 endgültig begründet. Bis zum 13. Jahrhundert war seine Entwicklung gekennzeichnet durch den stetigen Aufstieg des Mainzer Erzbischofs zum ersten geistlichen und weltlichen Reichsfürsten.

Das Spätmittelalter war die Phase der Territorialisierung beziehungsweise des Ausbaues der Besitzungen des jetzt Kurstaates und Erzbistums, die erst mit dem Zusammenbruch in der Mainzer Stiftsfehde 1462 endete.

In der Zeit der Reformation erlitt Mainz die schwersten territorialen Verluste, die es während der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges nur geringfügig wieder ausgleichen konnte.

Vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisierung 1803 veränderte sich der Kurstaat in territorialer Hinsicht nicht mehr. Es kam zur Erstarrung und damit auch zum endgültigen Verlust seiner früheren reichspolitischen Bedeutung.

Die Bevölkerungsgruppen im Kurstaat

In Kurmainz lassen sich vier Bevölkerungsgruppen nachweisen. Die zahlenmäßig größte Gruppe waren die Bauern, die sich in einem abhängigen Status befanden. Alles Ackerland, das sie bebauten, gehörte den privilegierten Ständen, das heißt in diesem Fall dem Kurfürst, dem Domkapitel , den Klöstern und Reichsrittern, die aus den verschiedenen Steuern, die Bauern zu leisten hatten, vor allem dem Zehnten, ein lukratives Einkommen bezogen.

Die zweifellos einflussreichste Bevölkerungsschicht waren die Reichsritter , die als Angehörige des Adels in Kurmainz konkurrenzlos waren. Außer ihnen gab es nur noch den Dienstadel, der aber zum Bürgertum gerechnet wurden. Die Reichsritter waren reichsunmittelbar , das heißt nicht der Souveränität und Jurisdiktion des Kurfürsten untergeordnet, sondern unterstanden direkt dem Kaiser. Die meisten Kurfürsten nach der Reformation gehörten selbst diesem Reichsritterstand an. Als privilegierter Stand waren die Reichsritter von jeglichen Steuern und Abgaben befreit. Ihnen waren alle vierundzwanzig Pfründen des Domkapitels, etwa 130 Beamtenstellen im Kurfürstentum, dazu etwa fünfundsechzig Ehrenposten am Mainzer Hof, hohe Posten beim Militär sowie die Besetzung der kurfürstlichen Leibgarde ausschließlich vorbehalten.

Die letzten hier zu nennenden Bevölkerungsgruppen sind die Bürger und die Beisassen beziehungsweise Tolerierten, die sich hauptsächlich in den Städten, vor allem in Mainz, konzentrierten.

Zum Bürgertum zählten die Kaufleute, Geschäftsleute und Handwerksmeister, also Mitglieder einer Zunft , da nur diese das Bürgerrecht bekamen. Die Bürger hatten besondere Rechte und Privilegien, beispielsweise persönliche Freiheit, sie brauchten keine Fronen und keinen Militärdienst zu leisten und konnten zu städtischen Körperschaften gewählt werden. Unter Beisassen und Tolerierten, letztere waren die Protestanten und Schutzjuden , verstand man die Zugewanderten in Mainz, die sich auf bestimmte Zeit und auf Widerruf dort niederlassen und ihren Beruf ausüben durften, aber kein Bürgerrecht erlangen konnten.

Die Wirtschaft

Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens des Kurfürstentums Mainz stand die Stadt Mainz. Mainz war weniger Fabrikantenstadt wie Frankfurt, als eher Verteilungszentrum für Waren. Um die Stadt herum lag fruchtbares Gebiet, und eine ausgiebige landwirtschaftliche Produktion lieferte Tabak, Hanf, Hirse, Früchte, Nüsse und vor allem Getreide für den Export. Ebenfalls exportiert wurde Holz aus den Wäldern von Taunus und Spessart. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Rheingau als bestes Weinanbaugebiet in Deutschland. Die Stadt Mainz besaß zusammen mit Köln seit 1495 das Stapelrecht , das den Handel auf dem Rhein betraf.

Güter, die die Stadt passierten, mussten ausgeladen und drei Tage zum Verkauf angeboten werden, ehe sie wieder in Mainzer Schiffe eingeladen und zu ihrem endgültigen Ziel transportiert werden durften. Die Kurfürsten waren sehr an der Aufrechterhaltung dieses Privileges interessiert, da es ihnen die dabei anfallenden Gebühren als Einnahmen für die Staatskasse sicherte.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde die städtische Wirtschaft noch von den Handwerkszünften beherrscht, die aber seit 1462 schon dem fürstlichen Absolutismus unterlegen waren. Ein vom Kurfürsten ernanntes Mitglied des Stadtrates, ab 1782 zwei Polizeikommissare, mussten bei allen Versammlungen der Zünfte anwesend sein. Keine Entscheidung konnte ohne Zustimmung des Kurfürsten getroffen werden. Somit waren die Zünfte im Grunde nur noch Staatsorgane. Insgesamt wurde Mainz, unter anderem durch Abschaffung der städtischen Freiheiten nach 1462, wirtschaftlich von Frankfurt in den Hintergrund gedrängt.

Erst mit der merkantilistischen Politik des Kurfürsten Johann Friedrich Karl von Ostein (1743-1763) erfuhr der Handel eine Wiederbelebung. Zwischen 1730 und 1790 war sowohl ein wirtschaftlicher Aufschwung als auch ein Bevölkerungswachstum in Kurmainz zu verzeichnen.

Kurfürst und Domkapitel

Die Stellung des Kurfürsten im Reich

Neben seinen Funktionen im Mainzer Kurfürstentum und Erzbistum kam dem Kurfürsten noch eine herausgehobene Stellung im Römischen Reich zu. Er war Vorsitzender des Kurfürstenkollegiums , das heißt er berief die sechs anderen Kurfürsten zur Wahl des neuen Königs nach Frankfurt am Main ein. Dort hatte er den Vorsitz bei der Wahl des Königs und den Beratungen über die Wahlkapitulation . Auch nahm er die Weihe und Salbung des neuen Kaisers vor. Darüber hinaus war der Mainzer Kurfürst Erzkanzler und Kopf der Reichskanzlei, formal auch wichtigster Mann im Reichstag . Er übte die Kontrolle über das Reichstagsarchiv aus und hatte eine besondere Position beim Reichshofrat und Reichskammergericht inne. Als kreisausschreibender Fürst und Direktor oblag ihm die Leitung des kurfürstlich-rheinischen Kreises . Die meisten dieser Funktionen jedoch hatten eher repräsentativen Charakter, als dass sie dem Kurfürsten politisches Gewicht verliehen.

Siehe auch Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser

Das Mainzer Domkapitel

Das Mainzer Domkapitel hatte 24 Pfründen und ein eigenes Herrschaftsgebiet, das direkt dem Kaiser unterstellt war und für das es dem Kurfürsten nicht verantwortlich war. Das Gebiet schloss große Ländereien ein, unter anderem die Stadt Bingen und 7 weitere bedeutende Ortschaften. Darüber hinaus hatte das Kapitel auch Ländereien im Kurfürstentum selbst und in anderen Fürstentümern. Diese Besitzungen sicherten dem Domkapitel große Einkünfte, die schätzungsweise ein Fünftel des Gesamteinkommens des Mainzer Erzstifts ausmachten.

Die Mitglieder des Kapitels hatten zum Teil aber noch andere Einkünfte, die sich daraus ergaben, dass sie in weiteren Kapiteln oder Kollegiatsstiften saßen oder weltliche Ämter im Kurfürstentum, die für sie reserviert waren, innehatten.

Beherrscht wurde das Domkapitel von den Reichsrittern. Seine Mitglieder mussten einem der drei Reichsritterkreise, das heißt dem fränkischen, schwäbischen oder rheinischen, angehören und nachweisen, dass ihre 16 Ururgroßeltern alle deutschen ritterlichen Ursprungs waren. Die Lücken im Domkapitel wurden gefüllt durch Kooptation , das heißt Ernennung der Anwärter durch Kanoniker und Kurfürst. In der Praxis führte dieses Verfahren dazu, dass immer wieder Verwandte ernannt wurden und das Kapitel von einer kleinen Gruppe von Familien beherrscht wurde. Die Hauptaufgabe des Domkapitels war die Wahl des Erzbischofs und Kurfürsten sowie die Regierung des Kurstaates beim Tode eines Kurfürsten bis zur Wahl des neuen. Sein Haupteinfluss wurde gesichert durch die Wahlkapitulationen , in denen jeweils alte und neue Privilegien des Domkapitels festgelegt wurden und auf die der jeweilige Kurfürst bei seinem Regierungsantritt vereidigt wurde.

Die Wahlkapitulationen

Die Wahlkapitulationen waren die Verfassung des Kurfürstentums, insofern man hier überhaupt von einer solchen sprechen kann. Ihre vollständigste Form erreichten sie mit der capitulatio perpetua von 1788 , aufgesetzt vom Kapitel anlässlich der Wahl des Koadjutors (= Amtsgehilfen) Dalberg. Diese (jedoch nie in Kraft getretene) Kapitulation war als eine Art Staatsgrundgesetz vorgesehen, das nicht nur der Erzbischof und Kurfürst, sondern auch Diener und Beamte beschwören sollten. Inhaltlich war der Anspruch des Kapitels festgelegt, die Stände des Kurfürstentums zu sein; seit dem Bauernkrieg von 1524/25 gab es in Kurmainz keine Landstände mehr.

Darüber hinaus war festgehalten, dass der Kurfürst ohne Zustimmung des Kapitels kein Land veräußern oder verpfänden und keine Schulden machen konnte. Er war zur Erhaltung der katholischen Religion und Bevorzugung von Katholiken bei der Besetzung von Beamtenstellen, Aufrechterhaltung guter Beziehungen zum Papst und der Verbindung mit den Habsburgern sowie zur Beseitigung von Glaubensabtrünnigen, also Häretikern , verpflichtet. Die Wahlkapitulationen verschafften dem Kapitel jedoch kein legislatives Veto. Nur in finanziellen Angelegenheiten, also Steuern, Steuererhebungen, Schaffung neuer Steuern, war seine Zustimmung nötig.

Im 18. Jahrhundert haben die Wahlkapitulationen insgesamt an Bedeutung verloren, da sie 1695 vom Papst beziehungsweise 1698 vom Kaiser offiziell verboten worden waren. Jedoch konnte Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1695-1729), der in diesem Fall offensichtlich auf Seiten des Kapitels stand, ein päpstliches Schreiben erwirken, durch das Mainz vom Verbot der Wahlkapitulationen ausgenommen wurde. Als 1774 vor der Wahl des Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal erstmals der Einfluss dieses Verbotes spürbar wurde, ging das Domkapitel dazu über, eine offizielle Hauptkapitulation auszuarbeiten und dazu eine Art geheime Nebenkapitulation, in der alle Artikel zusammengefasst waren, die möglicherweise ein Einschreiten des Papstes oder Kaisers provoziert hätten.

Zentralbehörden und Verwaltung

Der Hofrat

Der Hofrat hatte 1790 insgesamt 49 Mitglieder und beschäftigte sich mit dem Kriminalwesen, dem Rechtswesen, Finanzangelegenheiten, Werbegeschäften, Religionsangelegenheiten, dem Polizeiwesen und der Verwaltung. Der Kurfürst war zwar der Präsident des Hofrates, hat aber im 18. Jahrhundert nie mehr an den Sitzungen teilgenommen, sondern verkehrte indirekt mit der Behörde durch Beamte der Geheimen Kanzlei, die gleichzeitig Mitglieder des Hofrates waren. Die Entscheidungsgewalt hatte allein der Kurfürst inne, der Hofrat hatte nur seine Befehle auszuführen.

Der Geheime Rat

Dieses Gremium, das den Charakter privater Zusammenkünfte hatte, diente dem Kurfürsten zur Besprechung von mehr oder weniger geheimen Angelegenheiten im Kreise weniger Vertrauter. Dazu zählten einige Räte und hohe Hofbeamte. Das Aufgabengebiet des Geheimen Rates war vorrangig die Außenpolitik. Von den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts an verlor der Geheime Rat jedoch an Bedeutung. An seine Stelle trat die Geheime Konferenz, zu deren Beratungen die höchsten Beamten verschiedener Ressorts zusammentraten.

Die Hofkammer

Die Hofkammer war für die gesamte Finanzverwaltung zuständig, das heißt sowohl für die Einnahmen und Ausgaben für den persönlichen Haushalt und Hof des Kurfürsten als auch für die der Landesverwaltung. Nur um außerordentliche Auflagen zu erheben, benötigte der Kurfürst die Zustimmung des Kapitels; ansonsten konnte er die Gelder nach eigenem Ermessen verwenden, wenn er den Zweck, den er jeweils angeben musste, einhielt.

Das Beamtentum

Die Beamten des Mainzer Staates wurden in patriarchalischer Art behandelt. Die höchsten Beamten wurden sehr hoch besoldet, die übrigen dagegen niedrig, was dazu führte, dass die Untertanen für die Inanspruchnahme der Behörden sehr hohe Gebühren errichten mussten, die den Beamten als Nebeneinnahmen dienten. So hatten die Beamten nicht nur das Staatsinteresse, sondern auch den eigenen Nutzen im Auge, worunter die Verwaltung zu leiden hatte. Das Domkapitel sicherte sich im Laufe der Entwicklung des Kurstaates mit Hilfe der Wahlkapitulationen hohe Posten und damit Einfluss auf die Verwaltung, so dass zumindest nichts ohne sein Wissen geschehen konnte. Insgesamt gesehen brachte der Verwaltungsapparat trotz einiger struktureller Mängel allein dem Kurfürsten Vorteile, der damit über ein Instrument verfügte, dem das Kapitel nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte.

Das Verhältnis zwischen Kurfürst und Domkapitel im entstehenden Absolutismus

Die reichsunmittelbare Stellung der Domherren, die Existenz der Wahlkapitulationen und die Tatsache, dass ihnen bestimmte Ämter im Staat vorbehalten waren, sicherte dem Kapitel Privilegien, Immunitäten und Einfluss auf die Politik. Man hätte sich in jedem Fall einem tyrannischen Kurfürsten widersetzen können. Dies alles führte aber auch zu einem gewissen Dualismus zwischen Kurfürst und Domkapitel im Hinblick auf die Macht im Kurstaat. In der Praxis traf aber wohl allein der Kurfürst und sein engster Beraterkreis die politischen Entscheidungen. Regelmäßige Steuereinnahmen und ausgedehnte Güter ermöglichten ihm zumindest eine relativ unabhängige Innenpolitik.

Als Beamte in der Verwaltung mussten die Domherren den Befehlen des Kurfürsten Folge leisten, um ihre Stellung nicht zu verlieren. Sie waren also dort eher gezwungen, sich dem Kurfürsten unterzuordnen, als dass sie es sich hätten leisten können, die Interessen des Kapitels allzu stark zu vertreten. Dies traf vor allem dann zu, wenn es die Domherren anstrebten, Familienmitglieder in der Verwaltung unterzubringen.

Auf der anderen Seite stammten Kurfürst und Domkapitel meist aus der gleichen Gesellschaftsschicht und damit Interessengruppe. Insofern galt Ausgleich und Mäßigung als Verhaltensregel zwischen beiden und war auch Voraussetzung für den Erhalt der Regierungsform. Die Kurfürsten hatten ein hauspolitisches Interesse, möglichst viele Verwandte im Kapitel unterzubringen, von denen vielleicht einer die Nachfolge antritt und damit die eigene Regierungsweise stabilisiert. Mit diesem Ziel konnten die Kurfürsten sich nicht rücksichtslos über die Interessen des Domkapitels hinwegsetzen.

Zwischen Kurfürst und Domkapitel existierte quasi eine Symbiose, beide waren voneinander abhängig, beide versuchten die Macht des anderen einzuschränken, wobei man im 18. Jahrhundert jedoch eine Dominanz der Kurfürsten, besonders der aufgeklärten, feststellen kann, vor allem da ihnen allein der Behörden- und Beamtenapparat als Machtinstrument zugute kam. Vielleicht trifft die Bezeichnung Wahlmonarchie am besten auf das Kurmainz dieses Jahrhunderts zu.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass sowohl Kurfürst als auch Domkapitel in der Regel Unterstützer der habsburgischen Monarchie waren, da Kurmainz als geistliches Territorium vom Überleben des Reiches abhängig war. Dies wiederum gab den Habsburgern die Möglichkeit, hauptsächlich durch finanzielle Mittel, Einfluss auf die Wahl des Mainzer Kurfürsten zu nehmen.

Die letzten Mainzer Kurfürsten im 18. Jahrhundert

Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729-1732)

Da Franz Ludwig, der im vorigen Kapitel erwähnte Koadjutor, nur drei Jahre als Kurfürst regierte, lässt sich seine Politik schwer charakterisieren. Er zehrte im wesentlichen von der Arbeit seines Vorgängers. Besonders zu erwähnen sind hier nur Reformen zur Verbesserung der Priester- und Richterausbildung. Mit dem Domkapitel gab es keine Konflikte, da es die Wahlkapitulation vorher mit ihm abgesprochen und die Einhaltung somit sichergestellt hatte.

Philipp Karl von Eltz-Kempenich (1732-1743)

Philipp Karl von Eltz war Domkantor in Mainz und wurde 1732 mit kaiserlicher Empfehlung zum Kurfürsten gewählt. Er verfolgte einen traditionell habsburgischen Kurs und hatte sich sehr für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion eingesetzt, die in Österreich die Erbfolge regelte. Erst als er 1742 durch seine Stimme die Wahl des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht zum deutschen Kaiser entschied, verschlechterte sich das Verhältnis zu Österreich. Philipp Karl hatte zwei Jahre lang das Collegium Germanicum in Rom besucht und besaß dadurch eine wesentlich bessere geistliche Ausbildung als andere Kurfürsten. Dies zeigte sich vor allem darin, dass er seine geistlichen Pflichten intensiver wahrnahm. Auch in weltlichen Angelegenheiten konnte er eine zwanzigjährige Erfahrung als Regierungspräsident vorweisen. Hervorzuheben ist hier speziell der Abbau der Schuldenlasten des Kurstaates.

Johann Friedrich Karl von Ostein (1743- 1763)

Mit Johann Friedrich begann in Mainz die Zeit des aufgeklärten Absolutismus. In der Praxis war jedoch nicht er der Herrscher im Kurfürstentum, sondern sein Kanzler Friedrich Graf von Stadion, der schon unter den zwei Vorgängern Johann Friedrichs hohe Ämter innegehabt hatte. Stadion war beeinflusst von der französischen Aufklärung, was sich in seinen Reformen niederschlug.

Er wollte das Kurfürstentum auf den gleichen Stand mit den weltlichen Staaten des Reiches bringen. Dazu konzentrierte er sich vor allem auf die Wirtschaft, die sehr unter den französischen Militäroperationen im Rheinland 1740-1748 gelitten hatte. Zur Belebung des Handels gründete er 1746 den Mainzer Handelsstand, kümmerte sich um den Ausbau der Hauptverkehrsstraßen, den Bau neuer Warenhäuser, die Einrichtung eines dauernden Weinmarktes und zweier jährlich stattfindender Messe sowie um die Verbesserung des Geldverkehrs. Das Handelszentrum begann sich wieder von Frankfurt nach Mainz zu verlagern.

Auch die Kirche blieb von Reformen nicht verschont. 1746 wurde ein Tilgungsgesetz erlassen, durch das verhindert werden sollte, dass weltlicher Grundbesitz in kirchliche Hände überging. Dazu wurde die Rückführung von kirchlichem Besitz in weltliche Hände gefördert.

Weitere politische Maßnahmen während der Regierungszeit Johann Friedrichs und seines Kanzlers waren die Verbesserung der elementaren Schulausbildung und des sozialen Systems sowie die Schaffung eines einheitlichen kurmainzischen Landrechts (1756).

Emmerich Josef Freiherr von Breidbach zu Bürresheim (1763-1774)

Emmerich Josef war der bedeutendste Mainzer Kurfürst des 18. Jahrhunderts . Unter seiner Herrschaft wurden die Prinzipien der Aufklärung in allen Bereichen konsequent gesetzt. Während er in der Wirtschaft die merkantilistische Politik seines Vorgängers nur fortsetzte, es gab keine fundamentalen Wirtschaftsreformen, konzentrierte er sich um so mehr auf die Reformierung des Bildungswesens. Er bemühte sich vor allem um die Verringerung des klerikalen Einflusses, insbesondere der Jesuiten , die die Universitäten und Gymnasien beherrschten. Dies gelang aber erst mit der totalen Auflösung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1773.

Um den Gymnasien und Universitäten eine finanzielle Basis zu verschaffen, ordnete Emmerich Josef die Aufhebung von Klöstern, Beschlagnahmung ihres Besitzes und die Einschränkung sämtlicher Privilegien an. Dies führte 1771 zum Streit mit dem Domkapitel, das seinerseits den Verlust von Besitz und Privilegien fürchtete, aber sich letztlich dem Kurfürsten beugen musste. Diese Maßnahmen dienten der Verbesserung der Lehrerausbildung, der Einrichtung neuer Fächer, vor allem naturwissenschaftlicher und praktischer, durch die die Kinder nicht nur mehr zu aufrichtigen Christen, sondern auch zu nützlichen Bürgern erzogen werden sollten, wobei letzteres im Vordergrund stand.

Zusammen mit den anderen beiden rheinischen Erzbischöfen versuchte Emmerich Josef zwischen 1768 und 1770 den Einfluss des Papstes auf Angelegenheiten seines Erzbistums zu reduzieren. Dieser Versuch scheiterte jedoch an der Uneinigkeit der drei Erzbischöfe, der fehlenden Unterstützung des Kaisers und der mangelnden Bereitschaft des Papstes, Konzessionen zu machen.

Insgesamt war unter der Regierung Emmerich Josefs wie auch schon unter der seines Vorgängers eine Verweltlichung des Kurfürsten in seiner Politik zu beobachten, sowie eine schärfere Trennung zwischen seiner erzbischöflichen und seiner landesherrlichen Funktion.

Von seiten der Untertanen, die noch traditionell mit der Kirche verbunden waren, aber auch von seiten des Kapitels, das sich in seiner Stellung gemindert sah, mussten die Reformen als antiklerikales Vorgehen und als Bedrohung für die katholische Religion angesehen werden. Deshalb begann das Kapitel in der Zeit nach Emmerich Josefs Tod bis zur Wahl des neuen Kurfürsten die Reformen rückgängig zu machen.

Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802)

Friedrich Karl war in früherer Zeit Führer der Konservativen und vom Kapitel in der Absicht gewählt worden, den gerade begonnenen reaktionären Kurs fortzusetzen. Kaum zum Kurfürsten erhoben kehrte Friedrich Karl jedoch zum aufgeklärten Absolutismus seiner Vorgänger zurück. Er führte Reformen im Schulwesen durch, reorganisierte die Universitäten durch Einführung neuer Fächer, säkularisierte zur Finanzierung klösterlichen Besitz, um neben nützlichen Bürgern auch ein effizientes Beamtentum heranzuziehen. Auch Protestanten und Juden waren jetzt zum Studium zugelassen.

Der Protest des Kapitels war nicht mehr so energisch wie früher, da inzwischen dort auch jüngere Leute vertreten waren, die mit den Prinzipien der Aufklärung vertrauter waren. Andere Reformen aus der Zeit Karl Friedrichs waren die Kirchenreform, das heißt die Abschaffung überkommener Zeremonien, Einschränkung der Wallfahrten, Einführung der deutschen Sprache in bestimmten Messen, eine Verbesserung der Priesterausbildung, Anordnung zur Aufhebung der Leibeigenschaft und Verbesserung der Landwirtschaft sowie soziale Maßnahmen.

Der Staat versuchte also, in alle Bereiche der Gesellschaft endgültig einzudringen und dort die Initiative zu ergreifen. Abgesehen vom Widerstand des Kapitels und des Volkes, denen die Reformen zu weit gingen, war auch das bürokratische System überfordert. Es gab Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Reformen, die zum Teil daran scheiterten, dass die Verwaltung die Verordnungen nicht ausführen konnte.

Das Ende des Kurfürstentums und Erzbistums Mainz

1790/91 kam es in Mainz zu Studenten-, Handwerker- und Bauernaufständen sowie zum Zuzug französischer Emigranten infolge der Revolution von 1789. Im Jahre 1792 flohen Kurfürst und Domkapitel nach Aschaffenburg, die Stadt Mainz wurde durch Frankreich besetzt. Nach dem Zwischenspiel der Mainzer Republik und der Rückeroberung durch vereinte deutsche Truppen wurde sie 1797 im Frieden von Campo Formio mit den linksrheinischen Gebieten des Kurstaates Teil Frankreichs.

Im rechtsrheinischen Teil des Erzstifts übernahm 1802 der 1787 zum Koadjutor gewählte Karl Theodor von Dalberg die Regierung, nachdem Friedrich Karl resigniert hatte. Das Domkapitel bestand zwar noch weiter, hatte aber keinen politischen Einfluss mehr. Das infolge des Konkordates von 1801 neu festgelegte Bistum Mainz wurde dem Bischof Joseph Ludwig Colmar übergeben.

Siehe auch

  • Liste der Erzbischöfe von Mainz

Literatur

  1. Blanning, T.C.W., Reform and Revolution in Mainz 1743-1803, Cambridge 1974
  2. Diepenbach, W. und Stenz, Carl (Hrsg.), Die Mainzer Kurfürsten, Mainz 1935
  3. Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz 1233-1788, Göttingen 1909
  4. Rauch, G., Das Mainzer Domkapitel in der Neuzeit, Teil 1, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kan.Abt. LXI, Bd. 92, Weimar 1975, S. 161-227
  5. Liebeherr, I., Das Mainzer Domkapitel als Wahlkörperschaft des Erzbischofs, in: Brück, A. (Hrsg.), Willigis und sein Dom, Festschrift zur Jahrtausendfeier des Mainzer Doms, Mainz 1975, S. 359-391
  6. Hollmann, Michael, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter (1306-1476), Mainz 1990
  7. Jürgensmeier, Friedhelm, Das Bistum Mainz, Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil.Frankfurt am Main, 1989
  8. Ders. u.a., Kirche auf dem Weg. Das Bistum Mainz. Hefte 1-5, Straßburg 1991-1995

Weblinks

   
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