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Letzte Änderung für Artikel Münchner CSU-Affäre: 20.02.2006 07:28

Münchner CSU-Affäre

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Eine Gruppe junger CSU -Mitglieder, die befreundete Funktionäre der Jungen Union waren, beeinflusste ab 2001 parteiinterne Wahlen der Münchner CSU. Ziel war es, an Parteiposten und politische Ämter zu gelangen. Der Münchner Merkur und die Süddeutsche Zeitung deckten ab Herbst 2002 „Mitgliederschleusungen“ und ab Frühjahr 2003 „Mitglieder- und Stimmenkauf“ in der Münchner CSU auf. Durch staatsanwaltliche Ermittlungen und ein Amtsgerichts-Verfahren wegen Urkundenfälschung gegen einige Nachwuchspolitiker geriet die im Juni 2003 neugewählte CSU-Bezirksvorsitzende Monika Hohlmeier unter zunehmenden Druck. Im Juni 2004 wurden drei Angeklagte zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt. Nachdem einer der Beschuldigten im Juli 2004 in der Süddeutschen Zeitung behauptete, die bayerische Kultusministerin habe von den Wahlmanipulationen gewusst und habe sie gebilligt, kündigte Monika Hohlmeier Ihren Rücktritt vom Münchner Beziksvorsitz an. Dieser Vorgang wurde beschleunigt, als bekannt wurde, dass sie Parteifreunde mit geheimen „ Dossiers “ bedrohte. Ab Dezember 2004 befasste sich ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages mit dem Fall. Die Aussagen eines Oberstaatsanwaltes und eines der verurteilten Jungpolitikers, die die Kenntnis und Verwicklung Monika Hohlmeiers in die Affäre bestätigten, führten Mitte April 2005 zum Rücktritt der bayerischen Kultusministerin sowie Anfang August 2005 zu ihrem Austritt aus dem Münchner CSU-Bezirksverband.

Der Ablauf der „Münchner CSU-Affäre“

Im folgenden wird die „Münchner CSU-Affäre“ in ihrer Entwicklung vom Frühjahr 2003 bis zum Sommer 2005 wiedergegeben. Ihren Namen erhielt diese politische Affäre von der Presse , insbesondere der Süddeutschen Zeitung. Sie wurde verkürzt auch als „CSU-Affäre“ sowie seltener als „Wahlfälschungs-Affäre“ bezeichnet. In ihrer späten Phase tauchte gelegentlich die Benennung „Hohlmeier-Affäre“ auf. Da die Bezeichnung „Wahlfälschungsaffäre“ zu missverständlich, „CSU-Affäre“ zu unspezifisch ist und „Hohlmeier-Affäre“ nur einen Teilaspekt betrifft, wird in der deutschen Wikipedia -Ausgabe der Begriff „Münchner CSU-Affäre“ verwendet. Einen Teil dieser komplexen Vorgänge bildete im Juli 2004 die sogenannte „ Dossier -Affäre“ (siehe Kapitel: Vom „Fall Baretti & Co.“ zur „Causa Hohlmeier“). Für ein umfassendes Verständnis der nachfolgenden Darstellung ist die Kenntnis von „Struktur und Situation der Münchner CSU“ unentbehrlich (siehe das entsprechende Kapitel).

Prolog: Ein Partei-Wahlabend mit Folgen

Am Mittwochabend, den 5. Februar 2003 fand im Traditionslokal „Leiberheim“ in München-Waldperlach, einem ehemaligen Erholungsheim der Königlich Bayerischen Leibgarde, eine folgenreiche Wahlversammlung der örtlichen CSU statt. Der bayerische Landtagsabgeordnete Heinrich Traublinger hatte den Ortsvorsitz der CSU im Münchner Stadtteil Perlach zurückerobert und Stephanie Lütge (* 6. Mai 1978 in Braunschweig) wurde zu seiner Stellvertreterin gewählt. Außerdem hatte die Versammlung auch jene Delegierten bestimmt, die am 22. Mai 2003 den neuen Chef im Kreisverband 9 (Ost) wählen sollten.

Zwei Jahre zuvor hatten junge CSU-Funktionäre Traublinger von seinem langjährigen Amt als Perlacher Ortsverbandschef verdrängt. Hintergrund war der parteiinterne Kampf um das Landtags - Mandat . Im Frühjahr 2001 wurde zunächst Matthias Pawlik Ortsvorsitzender, übergab die Geschäfte aber schon bald an den späteren CSU-Stadtrat Johann Altmann. Dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber und der designierten Münchner CSU-Bezirkschefin Monika Hohlmeier missfiel jedoch dieser Perlacher „ Putsch “, denn Bäckermeister Traublinger galt als wichtiger politischer Repräsentant des Handwerks. In der Folgezeit zerstritten sich die im Parteijargon als „Klonkrieger“ gescholtenen CSU-Jungmitglieder. Der Politikwissenschaftler und vormalige bayerische RCDS -Landesvorsitzende Markus Blume (* 14. Februar 1975 in München) überwarf sich mit seinen Ex-Freunden Rasso Graber, Christian Baretti und Joachim Haedke und kandidierte gegen Heinrich Traublinger. Nach einer heftig geführten dreistündigen Debatte wurde Traublinger mit 72 gegen 55 Stimmen gewählt. Blume war gescheitert und seine Gegner entzogen ihm sogar noch den stellvertretenden Ortsvorsitz.

Der Unterlegene fühlte sich geprellt und beschuldigte den Vorsitzenden des benachbarten Ortsvereins Trudering , CSU-Stadtrat Christian Baretti, der Traublinger unterstützt hatte, der Wahlmanipulation. Die Abstimmung sei „an der Grenze zur Rechtsbeugung“ gelegen, daher stellte Blume in Aussicht, er „werde deshalb die Wahl auf jeden Fall anfechten“. Baretti hatte nämlich triumphierend 35 Aufnahmeanträge vorgelegt, die nicht den normalen Parteiweg durchlaufen hatten, sondern Monate vorher notariell beurkundet worden waren. Im Trubel nach der Wahl Traublingers steckte er die Anträge klammheimlich wieder ein. Die Mitgliedsanträge von mindestens 22 Neumitgliedern, die am Wahlabend für eine Mehrheit Traublingers gesorgt hatten, waren neben 13 weiteren Anträgen drei Wochen lang verschwunden. Dann wurden sie überraschend von Stephanie Lütge beim Münchner CSU-Bezirksverband abgeliefert. Der Absender war Christian Baretti, der die Anträge in seinem Schrank versteckt hatte. Markus Blume warf Baretti nun vor, die Aufnahmeanträge in der Zwischenzeit manipuliert zu haben, indem er falsche Namen wieder tilgte. Vor allem jedoch fehlte inzwischen das notarielle Siegel.

Am 28. Februar 2003 befasste sich der CSU-Kreisvorstand für den Münchner Osten (Kreisverband München 9) unter seinem Vorsitzenden Hans Podiuk mit diesen Vorgängen. Die Staatsanwaltschaft begann ebenfalls, zu ermitteln. Podiuk ahnte bereits, dass es um mehr ging als nur um den Perlacher Ortsvorsitz.

Sein Verdacht bestätigte sich. Am 22. Mai 2003 wurde Hans Podiuk als CSU-Kreisvorsitzender im Münchner Südosten bei einer Kampfabstimmung gestürzt. Sein Nachfolger wurde Christian Baretti, der seine Kandidatur erst drei Tage zuvor angemeldet hatte.

Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier erreichte am 27. Juni 2003 96 Prozent der Delegiertenstimmen bei ihrer Wahl zur neuen Bezirksvorsitzenden der Münchner CSU. Sie übernahm das Amt vom CSU-Bundestagsabgeordneten Johannes Singhammer, der zur turnusmäßigen Neuwahl nicht mehr angetreten war. Mit Ihrer Wahl wurde die Hoffnung verknüpft, dass Ruhe in den skandalträchtigen Bezirksverband einkehre.

Unvorsichtige E-Mails

Am 22. Juli 2003 zitierte die Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung aus E-Mails, die den Münchner JU-Chef Rasso Graber, Christian Baretti sowie den CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Haedke belasteten, weil darin CSU-Neumitgliedern Prämien bis zu 450 Euro versprochen wurden. Als Gegenleistung sollten sie bei parteiinternen Wahlen im Sinne ihrer freigebigen Anwerber abstimmen. Aus den Mails ging außerdem hervor, dass Aufnahmeanträge rückdatiert wurden, damit das bezahlte Neumitglied bei Wahlen stimmberechtigt sein sollte. Die Gruppe um Baretti und Graber hatte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung für diese Aktion eine fünfstellige Summe ausgegeben. Das Geld hatte der Abgeordnete Joachim Haedke immer in bar an den JU-Funktionär Maximilian Junker übergeben oder übergeben lassen. Haedke wies die Vorwürfe auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung als „frei erfundenen Quatsch“ zurück.

Nach diesen Presse -Enthüllungen kündigte Monika Hohlmeier am 23. Juli 2003 eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe an und beauftragte am 28. Juli 2003 den Rechtsanwalt und Ex-Funktionär der Jungen Union Prof. Hermann Mayer, in der Affäre um gekaufte Mitglieder zu ermitteln.

Razzien und ruhende Ämter

Der 22-jährige Maximilian Junker, ehemaliger Ortsvorsitzender der JU Hohenbrunn, gab am 20. August 2003 bei der Münchner Staatsanwaltschaft zu Protokoll, dass die von der Süddeutschen Zeitung einen Monat zuvor abgedruckten E-Mails über den Kauf von CSU-Mitgliedern echt seien. Am 21. August 2003 beschlagnahmten ein Staatsanwalt und zwei Polizisten im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Rasso Graber zahlreiche Unterlagen und einen Laptop . Die Beamten durchsuchten insgesamt vier Objekte, darunter die Wohnungen von zwei weiteren Beschuldigten. Rasso Graber wurde in der Affäre um die Perlacher CSU künftig wegen Urkundenfälschung als Beschuldigter geführt.

Otmar Bernhard, stellvertretender Vorsitzender der Münchner CSU sowie der CSU-Landtagsfraktion, forderte Rasso Graber am 25. August 2003 auf, sein Amt als Chef der Münchner Jungen Union ruhen zu lassen. Bereits eine Woche zuvor war es zu offenem Streit zwischen Monika Hohlmeier und Rasso Graber gekommen. Die neue CSU-Bezirksvorsitzende hatte ihn in der Kanzlei von Rechtsanwalt Prof. Hermann Mayer im noblen „CityQuartier Fünf Höfe“ gefragt, ob er sein Amt ruhen lassen wolle. Graber verneinte dies entschieden. Erst nachdem ihn der Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion Alois Glück am 23. August 2003 zur vorübergehenden Amtsniederlegung aufforderte und ihm Monika Hohlmeier am 28. August 2003 ultimativ drohte, ihn für die Dauer seines Verfahrens von allen Parteiämtern zu entheben, beugt sich Rasso Graber am 29. August 2003 dem Druck der CSU-Spitze und legt seinen Münchner JU-Vorsitz vorläufig nieder.

Nur eine Woche später, am 5. September 2003, kam es zu einer Razzia bei CSU-Stadtrat Christian Baretti. Seine Eltern saßen zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit in Untersuchungshaft . Sie sollen als Angestellte der AOK von Kurkliniken zwischen Juli 1998 und Februar 2003 ca. 260.000 Euro Schmiergelder angenommen haben. Die Staatsanwaltschaft warf Christian Baretti vor, tatkräftig mitgeholfen zu haben, diese Bestechungsgelder zu verbuchen und auf andere Konten weiterzuleiten. Außerdem war er mittlerweile einer der Hauptbeschuldigten in der CSU-Affäre um gefälschte Aufnahmeanträge.

Der Prozess

Im Dezember 2003 beantragte die Staatsanwaltschaft München I Strafbefehle gegen die fünf Beschuldigten in der Wahlfälschungsaffäre wegen Urkundenunterdrückung und Urkundenfälschung : Christian Baretti, Rasso Graber, Stephanie Lütge, Maximilian Junker und Oliver Melka. Am 14. Januar 2004 lehnte es die Richterin beim Amtsgericht München Petra Axhausen ab, diese Strafbefehle zu erlassen.

Diese vorübergehend günstige Entwicklung nützte Christian Baretti nichts. Nachdem die Münchner Staatsanwaltschaft gegen ihn am 27. Februar 2004 Anklage in der Kurklinik-Affäre wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit erhoben hatte, wurde er am 8. März 2004 von der Münchner Rathaus-CSU aus der Fraktion ausgeschlossen. Zuvor war er gebeten worden, die CSU-Fraktion freiwillig zu verlassen. Dies hatte er jedoch verweigert. Am 26. April 2005 kam Baretti dem gegen ihn eingeleiteten Parteiausschlussverfahren zuvor, indem er aus der CSU austrat. Er behielt jedoch sein Rathausmandat als partei- und fraktionsloser Stadtrat.

Am 30. April 2004 kam es schließlich doch zum Prozessbeginn vor dem Amtsgericht München. Christian Baretti und Rasso Graber wurden wegen gemeinschaftlicher Urkundenfälschung und Urkundenunterdrückung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte die beiden CSU-Politiker sowie drei Mitangeklagte, Anträge auf Parteimitgliedschaft gefälscht, sich die Fälschungen von einem Notar beurkunden lassen und später das notarielle Siegel zerstört zu haben. Die Staatsanwälte wollten beweisen, dass die fünf Angeklagten mit Hilfe von falschen und gekauften Mitgliedern im CSU-Ortsverband Perlach eine Mehrheit schaffen wollten, die den Landtagsabgeordneten Heinrich Traublinger zum Ortsvorsitzenden und die mitangeklagte Stephanie Lütge zu seiner Stellvertreterin wählen sollte. Eines der Ziele war es, dem Junge Union-Chef Graber den Weg zu bereiteten, Traublinger in den Landtag nachzufolgen.

Am 28. Mai 2004 wurden von der Amtsrichterin Petra Axhausen die ersten beiden Urteile ausgesprochen. Wegen der Manipulation an je vier Mitgliedsanträgen wurden Maximilan Junker zu 90 Tagessätzen und Oliver Melka zu 60 Sätzen (beide à 20 Euro) verurteilt. Die Richterin blieb deutlich unter dem Strafmaß, das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, denn sie hielt den Beschuldigten ihr Geständnis zugute. Außerdem sei den zwei Versicherungskaufleuten wegen der Affäre gekündigt worden, womit sie sich „selbst erheblich geschadet“ hätten.

Richterin Axhausen verkündete am 29. Juni 2004 die weiteren Urteile, die weniger milde ausfielen. Das Amtsgericht München sah es als erwiesen an, dass Christian Baretti, Rasso Graber sowie Stephanie Lütge CSU-Aufnahmeanträge zurückgehalten sowie Fälschungen anderer gedeckt hatten. Baretti wurde zu 160 Tagessätzen à 30 Euro, Graber zu 170 Tagessätzen à 30 Euro und Lütge zu 120 Tagessätze à 20 Euro verurteilt. Bei über 90 Tagessätzen gilt ein rechtskräftig Verurteilter als vorbestraft . Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Haedke kam für die von ihm mit erheblichen Geldmitteln unterstütze Anwerbepraxis zunächst mit einer Rüge davon: „Sie haben die Grundregeln der Demokratie verletzt“ , sagte die Amtsrichterin. Da er als Drahtzieher der Manipulationen galt, legte er jedoch selbigen Tages seine Parteiämter nieder. In ihrem Plädoyer hatte die Staatsanwaltschaft ursprünglich höhere Geldstrafen beantragt, von „mafiösen Strukturen in der Münchner CSU“ gesprochen sowie von einem „Verhalten, das sonst nur im Bereich der organisierten Kriminalität“ bekannt sei. Die Verteidiger der drei Angeklagten hatten Freisprüche gefordert. Nach dem Urteilsspruch kündigten die drei Nachwuchspolitiker an, in Berufung zu gehen. Am 5. Juli 2004 zog Rasso Graber die parteiinterne Konsequenz aus der Affäre und trat aus der CSU aus.

Vom „Fall Baretti & Co.“ zur „Causa Hohlmeier“

Am 16. Juli 2004 behauptete Rasso Graber in der Süddeutschen Zeitung, am 15. Mai 2003 habe im Amtszimmer der Kultusministerin ein Treffen zwischen Monika Hohlmeier, Christian Baretti (damals CSU-Stadtrat) und ihm selbst (damals Münchner Junge Union-Chef) stattgefunden. Hohlmeier galt bereits als designierte neue Chefin der Münchner CSU. Monika Hohlmeier habe sie gefragt, „ob wir den Podiuk loswerden möchten“ und „ob wir dafür die nötige Mehrheit haben“. Als sie versichert hätten, die Mehrzahl der Delegierten stünde hinter ihnen, habe Monika Hohlmeier geantwortet: „Dann macht’s.“

Bei einer sechsstündigen Krisensitzung des Münchner CSU-Bezirksvorstandes auf dem Nockherberg wurden am 19. Juli 2004 gegen Beteiligte der Wahlfälschungs-Affäre Parteistrafen ausgesprochen. Den Vorschlag von Parteianwalt Hermann Mayer, Joachim Haedke, den ehemaligen Chef der Münchner Jungen Union, zu rügen und ihm für fünf Jahre jedes Parteiamt zu entziehen, billigte der Vorstand mit 15 gegen 4 Stimmen. Ein Parteiausschlussverfahren wurde – im Gegensatz zu den Fällen Christian Barettis und Stephanie Lütges - nicht beantragt, denn Graber habe sich „keine strafrechtlichen Tatbestände zuschulden kommen lassen“, begründete Monika Hohlmeier die milde Buße.

Nach den Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung vom 16. Juli 2004 wuchs der Druck auf Monika Hohlmeier. Am 20. Juli 2004 kündigte sie an, vom Amt der Bezirksvorsitzenden der Müncher CSU Ende September zurückzutreten. Als Grund nannte sie die Doppelbelastung als Ministerin und als CSU-Bezirkschefin. Hohlmeiers Rückzug vom Parteiamt sollen führende Müncher CSU-Politiker jedoch bereits am 17. Juli 2004 auf einer Krisensitzung bei Generalsekretär Dr. Markus Söder vereinbart haben. Einen Tag zuvor war es bei einer Krisensitzung am 16. Juli 2004 zu einem Eklat gekommen. Teilnehmer dieser Sitzung hatten der Süddeutschen Zeitung berichtet, Monika Hohlmeier habe ihren innerparteilichen Gegnern damit gedroht, Dossiers über sie zu verwenden. Am 21. Juli 2004 bemühte sich CSU-Chef Edmund Stoiber persönlich um Schadensbegrenzung und erklärte die „ Causa Hohlmeier“ für beendet. Die erwartete Rückendeckung fiel jedoch sehr zurückhaltend aus.

Journalisten, die am 21. Juli 2004 vor dem CSU-Fraktionssaal im Landtag auf die bayerische Kultusministerin warteten, um sie zu fragen, was es mit dem Skandal-Dossier auf sich habe, antwortete sie: „Alles Quatsch“, und beteuerte „es gibt kein Dossier. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden bedroht.“ Dies führte zu einer unerwarteten Eskalation , denn der CSU-Landtagsabgeordnete Ludwig Spaenle bezichtigte sie am 23. Juli 2004 der Lüge: „Wenn sie sagt, sie hat niemanden erpresst und auch kein Dossier angelegt, sagt sie die Unwahrheit“. Monika Hohlmeier habe während der turbulenten Sitzung am 16. Juli 2004 dunkel angedeutet, Ludwig Spaenles Frau Miriam, die in seinem Kreisverband Vorsitzende der CSU-Frauen-Union ist, habe bei Wahlen betrogen.

Am 22. Juli 2004 kam es in der Münchner CSU zu einer Novität. Der tief in die Affäre um Mitgliederkauf und Wahlfälschung verstrickte Landtagsabgeordnete Joachim Haedke leitete gegen sich selbst ein Parteiausschlussverfahren ein. Er hoffe, dass „ein unbeeinflussbares Parteigericht“ das „Zerrbild meiner Person“ zurechtrücken werde, erklärte Haedke seine Flucht nach vorn. Die noch bis September amtierende Parteichefin Hohlmeier avisierte, ihrem Bezirksvorstand auf der nächsten Krisensitzung vorzuschlagen, beim Bezirksschiedsgericht den Ausschluss Joachim Haedkes zu beantragen.

Die Ereignisse hatten sich inzwischen jedoch überschlagen. Am 23. Juli 2004 teilte Monika Hohlmeier mit, dass sie ihr Amt an der Spitze der Münchner CSU mit sofortiger Wirkung abgebe. Der Vorstand der Stadtpartei nominierte noch am selben Tag einstimmig den CSU-Landtagsabgeordneten Otmar Bernhard als Nachfolger. In den Hintergrund trat inzwischen der einstimmige Beschluss, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Landtagsabgeordneten Joachim Haedke einzuleiten.

Am 24. Juli 2004 entschuldigte sich Monika Hohlmeier für ihr Verhalten gegenüber CSU-Parteifreunden. Sie bedauerte, dass ihr „Verhalten in dieser Weise missverständlich war und von den Beteiligten als verletzend empfunden wurde. Dafür entschuldige ich mich und versichere, dass ich niemanden persönlich angreifen wollte.“ Ihre Kritiker, wie der CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Zimmermann, nahmen die „honorige Erklärung“ an. Zuvor hatten mindestens zwei Kabinettskollegen bereits einen möglichen Rücktritt angesprochen. Nur zwei Tage später, am 26. Juli 2004, wurde ruchbar, dass die Abbitte der Kultusministerin auf massiven Druck von Ministerpräsident Edmund Stoiber zustande gekommen war. Außerdem bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld am selben Tag, dass die Münchner Staatsanwaltschaft prüfe, ob gegen die Kultusministerin wegen versuchter Nötigung ermittelt werde.

Verquickung von Amt, Parteiarbeit und Familie?

Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen richteten am 29. Juli 2004 einen umfangreichen Fragenkatalog an die Bayerische Staatsregierung. Dabei ging es u.a. um die Verquickung von staatlichen Aufgaben und CSU-Parteiarbeit durch den persönlichen Referenten der Kultusministerin, Maximilian Pangerl, durch die Pressesprecherin der Kultusministerin, Claudia Piatzer, sowie um die Beförderungspraxis des Kultusministeriums. Der frühere stellvertretende Pressesprecher im Kultusministerium, Peter Brendel, wurde Anfang Juli 2004 zum Direktor des Gymnasiums Pfarrkirchen befördert, obwohl sich nach einem Bericht des Münchner Merkur vom 24. Juli 2004 mehrere Mitbewerber mit ebenso guten Beurteilungen und mehr Praxiserfahrung beworben hatten und später gegen die Berufung Peter Brendels klagten. Die Oppositionsparteien setzten für die Beantwortung der Fragen eine Frist bis zum 9. August 2004 und erklärten, dass ein Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag unausweichlich sei, wenn die aufgetauchten Vorwürfe nicht komplett und nachvollziehbar aufgeklärt würden.

Am 6. August 2004 erhob der Münchner Merkur neue Vorwürfe gegen Monika Hohlmeier. Ihr Ministerium soll den Erweiterungsbau des Sehbehindertenzentrums Unterschleißheim für rund 8,5 Millionen Euro finanziert haben, während ihr Ehemann, Michael Hohlmeier, dort zuvor die Stelle eines Vize-Direktors erhalten hatte. Andere bayerische Schulbauten fielen gleichzeitig dem Sparkurs zum Opfer. Die Kultusministerin ließ diesen Vorwurf durch ihren Ministeriumssprecher, Thomas Höhenleitner, noch am selben Tag zurückweisen. Die „Zusage für den Erweiterungsbau“ habe „bereits bestanden, bevor Michael Hohlmeier in die Einrichtung gewechselt sei.“

Monika Hohlmeier verlas am 10. August 2004, begleitet von einer vierköpfigen Delegation hoher Beamter ihres Ministeriums, eine 15-seitige Erklärung zur Anfrage der Landtagsfraktionen der SPD und Grünen. Ihr einziges Zugeständnis an Vorwürfe der Landtags-Opposition lautete, sie wolle künftig „sensibler“ mit Nebentätigkeiten ihrer Beamten umgehen. Weder fürchte sie einen Untersuchungsausschuss , noch denke sie an Rücktritt, schließlich habe ihr Edmund Stoiber erneut das Vertrauen ausgesprochen. Auf entsprechende Rückfragen antwortete sie, das „Thema Bezirksvorstand“ sei „abgeschlossen“. SPD und Grüne forderten einen Untersuchungsausschuss für den Fall, dass Edmund Stoiber weiter an Monika Hohlmeier festhalte. Die Staatskanzlei wies das „ Ultimatum “ zurück.

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber und Generalsekretär Markus Söder erzwangen am 16. August 2004 bei einer Krisensitzung im CSU-Hauptquartier in der Nymphenburger Straße 64, dass der Münchner Beziksvorstand seinen geschlossenen Rücktritt angekündigte. Nach einer dreistündigen „ungewöhnlich deutlichen Aussprache“ erklärte Stoiber, die CSU-Spitze der bayerischen Landeshauptstadt sei seiner „Bitte gefolgt, einen Neuanfang zu machen“. Beim Bezirksparteitag, der auf den 17. September 2004 angesetzt war, wolle „die gesamte Vorstandschaft ihr Mandat an die Delegierten“ zurückgeben. Zuvor hatte Stoiber angedroht, den Bezirksverband München aufzulösen und in den von Oberbayern einzugliedern.

Das Landgericht München I teilte am 26. November 2004 mit, dass sowohl die Angeklagten, als auch die Staatsanwaltschaft kurz vor Beginn der Berufungsverhandlung, die für den 29. November 2004 angesetzt war, ihre Rechtsmittel zurückgezogen hätten. Damit war das Urteil des Amtsgerichts München gegen den inzwischen aus der Münchner CSU-Fraktion ausgeschlossenen Stadtrat Christian Baretti und den früheren Junge Union-Stadtchef Rasso Graber vom 29. Juni 2004 rechtskräftig. Stephanie Lütges Strafverfahren war zuvor gegen Zahlung des Geldbetrags eingestellt worden. Der Juristin wurde so eine Vorstrafe erspart, die ihr den Weg in den Anwaltsberuf verbaut hätte. Die Angeklagten hatten ursprünglich angekündigt, umfassend „auszupacken“. Dadurch wäre Monika Hohlmeier als frühere Münchner CSU-Chefin erneut in Kalamitäten gestürzt. Die Anwälte von Christian Baretti und Rasso Graber verlautbarten, ihre Mandanten hätten sich zu diesem Schritt entschlossen, „um den ansonsten durch eine umfangreiche Beweisaufnahme unvermeidbaren Schaden von der CSU abzuwenden“. Dies bedeute aber kein Schuldeingeständnis.

Die CSU verständigte sich am 9. Dezember 2004 im Rechtsausschuss des Landtages mit der Opposition auf einen Fragenkatalog für den Hohlmeier-Untersuchungsausschuss. Dazu gehörten auch Fragen zur Wahlfälscher-Affäre der Münchner CSU.

Noch bevor der Untersuchungsausschuss formell beschlossene Sache war, geriet Monika Hohlmeier wegen eines landespolitischen Themas unter Beschuss. Ministerpräsident Stoiber rügte am 14. Dezember 2004 in einer Kabinettssitzung nach Angaben von Teilnehmern den zunehmenden Lehrermangel in Bayern. Kabinettsmitglieder bestätigten, dass der bayrische Regierungschef einen regelrechten Wutausbruch gehabt habe: „Was ihr euch im Kultusministerium leistet, das lass’ ich mir nicht länger bieten. Das wird nicht ohne ernste Konsequenzen bleiben. Das versprech ich euch!“

Untersuchungsausschuss und Rücktritt

Am 16. Dezember 2004 setzte der Bayerische Landtag mit großer Mehrheit einen Untersuchungsausschuss gegen die Kultusministerin ein. Er sollte Monika Hohlmeiers Rolle im Wahlfälschungsskandal der Münchner CSU klären und den Verdacht der unzulässigen Parteiarbeit und Günstlingswirtschaft durchleuchten. SPD und Grüne warfen der Ministerin Machtmissbrauch vor und forderten ihre sofortige Entlassung. Die 42-jährige Tochter des verstorbenen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß habe „Recht und Gesetz mit Füßen getreten“ und „ihr Ministerium als Familienbetrieb und Selbstbedienungsladen“ benutzt, argumentierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karin Radermacher. Die CSU warf der Opposition hingegen eine Schmutzkampagne mit unhaltbaren Unterstellungen und Vorverurteilungen vor. Der CSU-Abgeordnete Alexander König reklamierte, Rot-Grün gehe es nicht um Aufklärung, sondern um eine „reine Showveranstaltung“. Noch am selben Tag nahm der Ausschuss seine Arbeit auf.

Ein zweiseitiger Brief des Ausschussvorsitzenden Engelbert Kupka (CSU) an die Opposition verursachte am 19. Januar 2005 großen Unmut bei SPD und Grünen. Das Schreiben wurde so gedeutet, dass die CSU-Fraktion eine Zeugenaussage Monika Hohlmeiers zu den Vorgängen in der Münchner CSU verhindern wolle. Außerdem äußerte Engelbert Kupka darin auch Bedenken gegen eine Reihe von Beweisanträgen, die SPD und Grüne gestellt hatten. Der Versuch, die Vernehmung Monika Hohlmeiers zu vereiteln, hing mit großen Bedenken in der CSU zusammen, im Untersuchungsausschuss könne es wegen der so genannten "Dossier-Affäre" zu einer offenen Schlammschlacht zwischen Monika Hohlmeier und den Münchner CSU-Abgeordneten kommen.

Zwar konnte die Hohlmeier-Aussage nicht verhindert werden, aber der Ausschuss beschloss am 20. Januar 2005 mit CSU-Mehrheit, dass die Kulturministerin nicht als Zeugin, sondern als Beschuldigte vernommen wurde. Ihr stand damit ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Außerdem konnte sie einen Anwalt hinzuziehen, eigene Anträge stellen und hatte das Recht auf Akteneinsicht .

Am 7. April 2005 belastet der Münchner Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeldt die Kultusministerin schwer. Er sagte als erster Zeuge in dem Ausschuss aus, dass die Politikerin von Unregelmäßigkeiten bei der Wahlfälschungsaffäre im Perlacher CSU-Ortsverband früh Kenntnis gehabt habe. Monika Hohlmeier hatte bis dahin geleugnet, von den Vorgängen um die umstrittenen Mitgliederaufnahmen informiert gewesen zu sein. Der Münchner Chefermittler sagte zur Wahlbeeinflussung durch unorthodox angeworbene Neumitglieder: „Davon muss sie nach Aktenlage Kenntnis gehabt haben.“

Monika Hohlmeier wies am 13. April 2005 alle Vorwürfe zurück. Sie sei zutiefst betroffen über den „persönlichen Vernichtungsfeldzug“. Dieser werde von einzelnen Parteikollegen in verleumderischer und perfider Form geführt. Einige CSU-Politiker hatten sich zuvor anonym in der Presse mit dem Ruf nach einer Entlassung der Kultusministerin zitieren lassen. Ihr Nachfolger als Münchner CSU-Vorsitzender, Otmar Bernhard, wies jedoch einen Bericht zurück, wonach ihr Ausschluss aus der Partei erwogen werde. Dieser Schritt sei „in keiner Weise beabsichtigt“.

Ein „Kronzeuge“ der Affäre bestätigte jedoch am 14. April 2005 die brisanten Verdachtsmomente im Untersuchungsausschuss. Nach Aussage von Maximilian Junker, dem inzwischen zu einer Geldstrafe verurteilten ehemaligen Junge Union-Ortschef von Hohenbrunn, hatte Monika Hohlmeier schon frühzeitig von gefälschten Aufnahmeanträgen und Stimmenkauf in der Münchner CSU gewusst: „Ja, sie hatte Kenntnis, verhindert hat sie’s nicht“, gab er zu Protokoll. Die Strauß-Tochter sei die „Dirigentin der gesamten Operation“ gewesen. Vor den Wahlfälschungen habe es „eine Art Befehlsstruktur“ gegeben, eröffnete der damals 24-jährige Junker. „Allen Beteiligten war bekannt, dass Frau Hohlmeier ganz oben saß.“ Der Zeuge berichtete außerdem, ein Telefonat Hohlmeiers mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Haedke mitgehört zu haben. Dabei habe Haedke die einstige Münchner CSU-Beziksvorsitzende darüber unterrichtet, dass der Preis für Mitgliederkäufe auf 500 Euro pro Kopf gestiegen sei. Mehrfach hätten ihn Haedke, der frühere CSU-Stadtrat Christian Baretti und der frühere Chef der Münchner Jungen Union, Rasso Graber, beruhigt: „Wenn das rauskommt, wird die Monika uns alle decken.“ Später sei er bedrängt worden, nicht auszusagen.

Ebenfalls am 14. April 2005 wurde Monika Hohlmeier von Hans Podiuk, dem Vorsitzenden der Münchner CSU-Rathausfraktion, in der Süddeutschen Zeitung offen der Unwahrheit geziehen: „Ein Abgrund von Lüge und Täuschung“ offenbare sich im Untersuchungsausschuss. Er erhob neue Vorwürfe gegen die Ministerin. Als er bereits im Dezember 2002 gefälschten Aufnahmeanträgen auf die Spur gekommen sei und Hohlmeier von seiner Absicht berichtet habe, gegen Maximilian Junker und etwaige Hintermänner ein Parteiordnungsverfahren einzuleiten, habe sie ihm erwidert: „Du leitest gegen niemanden etwas ein.“ Da, so Hans Podiuk, „sind mir die Verflechtungen schon sehr deutlich geworden.“ SPD und Grüne erneuerten nach diesen Veröffentlichungen ihre Rücktrittsforderungen. Der stellvertretende Münchner Bezirksvorsitzende Ludwig Spaenle stütze am 15. April 2005 Hans Podiuks Enthüllung. Er sei „Zeuge“ gewesen, als Podiuk die Ministerin im Dezember 2002 über gefälschte Mitgliedsanträge informierte.

Am Freitag, den 15. April 2005 um 15.00 Uhr, erklärte Monika Hohlmeier ihren Rücktritt vom Ministeramt. Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in München führte sie aus, dies sei eine „ganz persönliche Entscheidung“, die sie zuvor mit Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) abgestimmt habe. Bereits am 20. April 2005 schlug Regierungschef Stoiber den 49 Jahre alten Eichstätter CSU-Landtagsabgeordneten Siegfried Schneider in der CSU-Landtagsfraktion als Nachfolger von Monika Hohlmeier vor. Damit wurde offiziell bestätigt, was die Medien schon seit Tagen meldeten. Siegfried Schneider wurde am 22. April 2005 vereidigt.

Der Untersuchungsausschuss ermittelt weiter

Im Hohlmeier-Untersuchungsausschuss des Landtages kam es am 22. April 2005 zum Eklat . SPD und Grüne bezichtigten die CSU-Mehrheit der offenen Behinderung der Aufklärungsarbeit. Die Sitzung wurde vorzeitig abgebrochen. Die CSU wollte ihrerseits den Versuch von SPD und Grünen abwehren, die Wahlfälschungs-Affäre der Münchner CSU im Ausschuss zu verhandeln. Landtagspräsident Alois Glück war nach Angaben seines Sprechers zu einem Vermittlungsgespräch bereit, sofern dies von allen Seiten gewünscht werde. Die Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause kritisierte den Ausschuss-Vorsitzenden Engelbert Kupka (CSU) scharf: „Er ist einseitig, er ist parteiisch, er fährt eine bewusste Obstruktions- und Verwirrungsstrategie.“ Auslöser des Streits war, dass Engelbert Kupka die Zeugenbefragung straffen und Fragen zur Münchner CSU-Affäre nur dann zulassen wollte, wenn sie einen Zusammenhang zur zurückgetretenen Kultusministerin aufwiesen. „Dies ist keine Quizveranstaltung“, begründete Kupka sein Vorgehen: „Parteiinterne Säuberungsaktionen stehen uns nicht zu.“

Nach einem Gespräch bei Landtagspräsident Alois Glück (CSU) am 26. April 2005 schlichteten CSU und Opposition ihren Streit um den Fortgang im Hohlmeier-Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss-Vorsitzende Engelbert Kupka (CSU) wollte die Befragung der Zeugen beschleunigen und das übliche Vorgehen ändern, bei dem ein Zeuge nacheinander von allen drei Fraktionen befragt wird. Dagegen hatten SPD und Grüne scharf protestiert. Nach Glücks Vermittlung blieb es dabei, dass nach Engelbert Kupka zuerst die SPD und dann die Grünen ihre Fragen stellen. Allerdings werden die Fragen in Blöcken gebündelt. Weichen die Fragen zu sehr vom Thema ab, kann Engelbert Kupka eingreifen. Inhaltlicher Hauptstreitpunkt war, ob der Ausschuss auch interne Angelegenheiten der Münchner CSU untersuchen darf.

Am 12. Mai 2005 hätte eigentlich eine der Schlüsselfiguren der Münchner CSU-Affäre aussagen sollen, der Landtagsabgeordnete Joachim Haedke. Doch er entschuldigte sich krankheitsbedingt. Die SPD forderte einen Sondertermin für Joachim Haedke Ende Mai 2005. Stattdessen erschien der CSU-Abgeordnete Peter Welnhofer, einer der wichtigsten Parteijuristen der CSU, als Zeuge. Peter Welnhofer hatte am 5. Februar 2003 jene konfus-bewegte Sitzung des Ortsvereins München-Perlach geleitet, für die Mitgliederanträge gefälscht und Mitglieder gekauft worden waren. Monika Hohlmeier habe ihn darum eigens gebeten, sagte Welnhofer. Als er mit den notariell beglaubigten Mitgliedsanträgen konfrontiert wurde, sei er „sehr erstaunt“ gewesen. Für ihn sei das aber lediglich eine Maßnahme gewesen, um das Wahlrecht der neu aufgenommenen Mitglieder zu dokumentieren. Wenn ihm damals jemand von Fälschungen oder Mitgliederkäufen erzählt hätte, hätte er dies für eine „schlecht erfundene Schmierenkomödie gehalten“. Die Wahlversammlung sei schwierig und voller Spannungen verlaufen, „sie wäre beinahe geplatzt“, erinnerte sich Peter Welnhofer.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Haedke verweigerte am 30. Mai 2005 vor dem Untersuchungsausschuss jede Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. Nach Ansicht der Münchner Justiz war Joachim Haedke der Drahtzieher der CSU-internen Intrigen, die zum Sturz von Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier führten. Haedkes Anwalt Ingram Lohberger ließ verlauten, sein 35-jähriger Mandant sei nicht verpflichtet, sich in die Gefahr eines Ermittlungsverfahrens zu begeben. Nach Ansicht von SPD und Grünen war Haedke das Bindeglied zwischen Monika Hohlmeier und den jungen Ränkeschmieden.

Am 21. Juni 2005 meldet der Münchner Merkur, Stephanie Lütge habe die CSU verlassen: „Die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Perlacher CSU, Stephanie Lütge, begründete ihren Austritt damit, dass es in der Münchner CSU eine ‚extreme Ungleichbehandlung‘ von Beschuldigten in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gebe“. Sie beklagte einerseits, dass die Münchner CSU gegen sie trotz der Einstellung ihres Verfahrens eine fünfjährige Ämtersperre verhängt habe, und dass andererseits ein Ermittlungsverfahren gegen den Chef der Rathaus-Fraktion, Hans Podiuk, „total ignoriert“ werde.

Der zweimalige OB-Kandidat der Münchner CSU Aribert Wolf bestätigte am 7. Juli 2005 die Version seines Münchner CSU-Vorstandskollegen Ludwig Spaenle, wonach Monika Hohlmeier im Zuge der Dossier-Affäre ihre Parteifreunde mit den Worten „gegen jeden von Euch gibt es was“ zu erpressen versucht habe. Beeindrucken ließ sich Aribert Wolf davon aber nach eigenem Bekunden nicht: „Ich habe nur gedacht: Das war das Ende der Ära Hohlmeier.“

Am gleichen Tag warfen sich der frühere Junge Union-Funktionär Maximilian Junker und der CSU-Stadtrat Curt Niklas bei einer Gegenüberstellung gegenseitig Lügen vor. Junker bekräftigt vor dem Landtagsausschuss seine frühere Aussage, im Herbst 2002 bei einem Treffen mit Curt Niklas und dem als Schlüsselfigur der ganzen Affäre geltenden Landtagsabgeordneten Joachim Haedke 2.500 Euro für den Einkauf von CSU-Neumitgliedern bekommen zu haben. Curt Niklas, ein Vertrauter von Monika Hohlmeier, bezeichnet diese Aussage erneut als Lüge. Maximilian Junker kontert darauf mit demselben Vorwurf. Die Zeugen waren auf Grund der Widersprüche zwischen ihren früheren Aussagen erneut vor den Ausschuss geladen worden. Beide bestätigten, sich ein einziges Mal in der Wohnung Joachim Haedke getroffen zu haben. Sowohl zum Zeitpunkt als auch zum Verlauf der kurzen Zusammenkunft machten beide jedoch völlig unterschiedliche Angaben. Der Ausschussvorsitzende Engelbert Kupka (CSU) stellte einen „totalen Dissens“ zwischen den beiden Zeugenaussagen fest.

Monika Hohlmeier vor dem Ausschuss

Der 29. Juli 2005 markiert den vorläufigen Höhepunkt des Untersuchungsausschusses . Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier sagte zeitweise unter Tränen aus, sie habe weder Wahlfälschungen in der Münchner CSU unterstützt noch Parteikollegen erpresst. Sie habe die Aufklärung der Wahlaffäre forciert, aber die Münchner CSU sei „ein Intrigantenstadl“ , in dem „nur noch Mauscheleien und Intrigen herrschten“. Sie räumte ein: „Ich war zu blauäugig, was man im Münchner Bezirksverband nicht sein darf.“ Von den Wahlfälschungen im CSU-Ortsverein Perlach 2002/2003 habe sie erst im Nachhinein erfahren. Angebliche Telefonate über Mitgliederkäufe habe es nicht gegeben. Ihr Fehler sei gewesen, Beschwerden und „diffuse Andeutungen nicht hinterfragt“ zu haben.

Die Aussagen der früheren Kultusministerin lösten am darauffolgenden Wochenende eine Proteststurm in der Münchner CSU aus. Sie hatte mehrere Vorstandsmitglieder, darunter den CSU-Fraktionschef Hans Podiuk, den Schatzmeister Richard Quaas und den Landtagsabgeordneten Ludwig Spaenle indirekt der Lüge bezichtigt. Deshalb forderte der engere Führungskreis des Bezirksvorstands nach mehreren Krisengesprächen am letzten Juli-Wochenende 2005 ernste Konsequenzen. Wegen der anstehenden Bundestagswahl verabredete man jedoch aus Rücksicht auf die Partei, die „ Causa Hohlmeier“ erst nach der Bundestagswahl zu klären.

Monika Hohlmeier kam eventuellen Parteistrafen zuvor. Am 1. August 2005 um 14.22 Uhr teilte sie verschiedenen Redaktionen per Fax mit, dass sie den CSU-Bezirksverband München verlassen habe und zum Ortsverband ihres Wohnortes Vaterstetten gewechselt sei. In dem Schreiben erläutert sie, sie habe sich bereits vor Wochen nach Rücksprache mit der Kreisvorsitzenden Christa Stewens und dem oberbayerischen Bezirksvorsitzenden Alois Glück entschieden, ihre Arbeit im Münchner Bezirksverband nach ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zu beenden. Die frühere Münchner CSU-Chefin will aber weiterhin den Stimmkreis München-Milbertshofen im Landtag vertreten.

Kein Ende in Sicht

Am 13. Oktober 2005 schilderte ein Referatsleiter vor dem Untersuchungsausschuss, bei seinem Wechsel ins Kultusministerium sei ihm 2001 sofort eine Nebentätigkeitsgenehmigung ‒ auch während der Dienstzeit ‒ angeboten worden. In drei Jahren sei es jedoch nur zweimal zu Tätigkeiten für CSU-Belange der Ministerin gekommen. Von den 15 Mitarbeitern, die zu Zeiten Hohlmeiers eine Nebentätigkeitserlaubnis hatten, wurden erst nach Vorwürfen gegen die Ex-Kultusministerin im Jahr 2004 elf Genehmigungen wieder kassiert. Darin sah die Landtags-Opposition eine klare Verquickung von öffentlichem Amt und Parteiarbeit. Hohlmeiers ehemaliger Büroleiter Harald Vorleuter lehnte indessen die Beschuldigungen in seiner Vernehmung ab. Die Mitarbeiter hätten im Hauptamt keine Parteitätigkeit ausgeübt und es habe eine korrekte Trennung von Staats- und Parteiamt gegeben.

Eine Zeugenaussage sorgte am 27. Oktober 2005 für große Aufregung. Ein mittlerweile pensionierter Referatsleiter sagte aus, er sei von seiner Amtsnachfolgerin vor seinem Zeugenauftritt darauf hingewiesen worden, dass eine umstrittene ministerielle Nebentätigkeitsgenehmigung ein „wunder Punkt“ sein könnte. Zu diesem Zweck habe sie ihm eine Mitschrift aus dem Ausschuss gezeigt. Ulrich Ossig, der Ministeriumsvertreter im Gremium, räumte ein, dass er seine Mitschriften aus den Sitzungen an Vorgesetzte im Haus weiterreiche. Die offiziellen Protokolle behalte er aber persönlich unter Verschluss. Vertreter der Oppositionsparteien erkannten in diesem Vorgang einen Verstoß gegen das Untersuchungsausschuss-Recht sowie gegen die Strafprozessordnung . In einer gemeinsamen Erklärung forderten SPD und Grüne Hohlmeiers Nachfolger Siegfried Schneider auf, zu den Vorfällen Stellung zu nehmen: „Das Ministerium trägt in erheblichem Maße dazu bei, eine Aufklärung der Hohlmeier-Affäre zu hintertreiben.“ Der Ausschussvorsitzende Engelbert Kupka erkannte zwar Klärungsbedarf, warf der Opposition aber zugleich „klägliche Skandalisierungsversuche“ vor. Kultusminister Schneider versprach eine vollständige Aufklärung, denn „im Kultusministerium gibt es keine Anweisung, Zeugen zu beeinflussen oder auch nur vorzuinformieren.“

Am 11. November 2005 bestritt Michael Hohlmeier, der Gatte der einstigen CSU-Spitzenpolitikerin, dass seine Ehe günstig darauf eingewirkt habe, die von ihm als stellvertretendem Direktor geleitete Sehbehindertenschule Unterschleißheim mit 8,7 Millionen Euro Bauzuschüssen zu versorgen. Über seine Tätigkeit habe er nie mit seiner Frau gesprochen. Auch den zweiten Vorwurf, er habe Mitarbeitern des Kultusministeriums Anweisungen erteilt, wies Michael Hohlmeier zurück: „Ich kann auf beide Fragen mit einem eindeutigen Nein antworten.“ Bereits seit 1996 habe man die Erweiterung der Blindenschule geplant. „Ich kam erst im Juli 2003 dazu. Dass zu meiner Zeit mit dem Bau begonnen wurde, war reiner Zufall.“ Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Margarete Bause wandte ein, die Tätigkeit des Hohlmeier-Ehemanns an der Schule habe dennoch „ein Geschmäckle“, wenn „der Mann der Kultusministerin in einem Bereich tätig ist, in dem das Ministerium Fördermittel verteilt“.

Am 30. November 2005 kündigte die SPD-Fraktion eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof an, um eine Gegenüberstellung der ehemaligen Kultusministerin Hohlmeier mit ihrem CSU-internen Kontrahenten Hans Podiuk durchzusetzen. Zuvor hatte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karin Radermacher erklärt, es gebe erhebliche Widersprüche zwischen den Aussagen von Podiuk und Hohlmeier zu den Vorgängen in der Münchner CSU. Beide hatten sich im Untersuchungsausschuss gegenseitig der Lüge bezichtigt. Die CSU-Fraktion hatte die Gegenüberstellung am selben Tag im Landtagsplenum kategorisch abgelehnt. Es sei kein „dringendes Aufklärungsinteresse vorhanden“. Der Ausschuss-Vorsitzende Kupka bestritt, dass die Opposition ein Minderheitenrecht auf eine Gegenüberstellung habe.

Anhang: Struktur und Situation der Münchner CSU

Die CSU München verfügte nach Parteiangaben am 1. August 2005 über 9.140 Mitglieder. Die Parteistruktur gliedert sich in einen übergeordneten Münchner Bezirksverband, dem regional 10 Kreisverbände nachgeordnet sind. Diese entsprechen ungefähr jeweils zwei zusammengefassten Stadtbezirken. Die Kreisverbände teilen sich wiederum auf Stadtviertelebene in insgesamt 60 Ortsverbände. Neben dieser regionalen Untergliederung gibt es noch zahlreiche Arbeitsgemeinschaften.

Zum Verständnis der „Münchner CSU-Affäre“ ist es unerlässlich, ein populäres Vorurteil auszuräumen. Während die CSU im Freistaat Bayern seit 1945 überragende Wahlerfolge feierte, so wie ihre Vorläuferpartei BVP vor 1933, war die Stadt München seit Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend sozialdemokratisch geprägt. Schon 1914 wurde die SPD mit 22 Sitzen stärkste Fraktion im 60-köpfigen „Kollegium der Gemeindebevollmächtigten“, wie der ehrenamtliche Stadtrat damals hieß. 1919 wurde nach einer Wahlrechtsreform erstmals der Sozialdemokrat Eduard Schmid Erster Bürgermeister. In der Nachkriegszeit gelang es der CSU nur zweimal den Oberbürgermeister zu stellen. Karl Scharnagl, Mitbegründer der CSU und schon von 1925 bis 1933 Münchner Stadtoberhaupt, wurde am 4. Mai 1945 von der Amerikanischen Besatzungsmacht zum OB eingesetzt und am 6. Juni 1946 bei einer Wahl in diesem Amt bestätigt. 1948 unterlag er dem SPD-Kandidaten Thomas Wimmer. Danach dienten als Oberbürgermeister nur mit einer einzigen Ausnahme Sozialdemokraten: Erich Kiesl (CSU), damals Staatsekretär im Bayerischen Innenministerium, wurde am 5. März 1978 überraschend mit 51,4 Prozent zum Münchner OB gewählt und behielt dieses Amt bis 1984. Seitdem wird München wieder sozialdemokratisch regiert.

Der Unterschied zwischen landespolitischer Stärke und kommunalpolitischer Schwäche der CSU wird aus einem Vergleich der Münchner Wahlergebnisse deutlich. Kommunalwahl 2002: CSU 36,0 %, SPD 41,9 %. Landtagswahl 2003: CSU: 47,6 %, SPD 31,2 %. Die CSU befindet sich in der Stadt München seit 60 Jahren in derselben Diaspora -Situation wie umgekehrt die SPD im Freistaat Bayern.

Weblinks: Chronologien zur „Münchner CSU-Affäre“ in den Medien

verwendete Literatur (chronologisch)

Wikipedia

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