Leonhard Ragaz
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Leonhard Ragaz (* 28. Juli 1868 in Tamins; â 6. Dezember 1945 in ZĂŒrich) war reformierter Theologe und MitbegrĂŒnder der religiös-sozialen Bewegung in der Schweiz . Er war verheiratet mit der Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin Clara Ragaz-Nadig .
Inhaltsverzeichnis |
Werk
Wie kaum ein anderer Theologe des 20. Jahrhunderts hat Leonhard Ragaz mit der Bibel in der Hand um den Sinn der welthistorischen Ereignisse gerungen. Mitten im Zweiten Weltkrieg schrieb er sein bedeutendstes Werk âDie Bibel â eine Deutungâ. In einer Zeit grösster Anfechtung schöpfte Ragaz aus der Schrift Trost und Hoffnung: Der Triumph der Naziherrschaft konnte nicht von Dauer sein. âGott duldet solche Grössen nicht.â Noch heute sind diese sieben BĂ€nde von der âUrgeschichteâ bis âJohannesâ unvermindert aktuell. Ihr zentrales Thema ist die âBotschaft vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit fĂŒr die Erdeâ. An diesem Massstab nahm Ragaz Partei fĂŒr die Opfer von Ungerechtigkeit und Gewalt, aber auch schon fĂŒr die gefĂ€hrdete Schöpfung.
Leben
Die Ă€usseren Stationen dieses bewegten Lebens beginnen in der bĂŒndnerischen Gemeinde Tamins, wo Ragaz 1868 als Kind einer Kleinbauernfamilie zur Welt kam. Nach seinem Theologiestudium wurde er Pfarrer in Flerden am Heinzenberg, spĂ€ter in Chur. Die fĂŒr sein weiteres Leben entscheidende AnnĂ€herung an die Arbeiterbewegung vollzog sich in Basel. Als 1903 die Bauarbeiter in einen Streik traten, sagte Ragaz in seiner berĂŒhmten Maurerstreikpredigt auf der MĂŒnsterkanzel: âWenn das offizielle Christentum kalt und verstĂ€ndnislos dem Werden einer neuen Welt zuschauen wollte, die doch aus dem Herzen des Evangeliums hervorgegangen ist, dann wĂ€re das Salz der Erde faul geworden!â 1908 folgte der Ruf an die theologische FakultĂ€t der UniversitĂ€t ZĂŒrich. WĂ€hrend des Schweizer Generalstreiks 1918 stand Ragaz auf der Seite der Arbeiter. Als die Soldaten mit ihren Stahlhelmen und aufgepflanzten Bajonetten die UniversitĂ€t bewachten, erhob er flammenden Protest: Diese StĂ€tte mĂŒsse nur deshalb geschĂŒtzt werden, weil sie dem Volk Steine statt Brot gegeben habe. Im Alter von 53 Jahren trat Ragaz von seinem Lehrstuhl zurĂŒck, da es ihm unmöglich geworden sei, Pfarrer fĂŒr eine verbĂŒrgerlichte Kirche auszubilden. Er zog mit seiner Familie ins Arbeiterquartier ZĂŒrich-Aussersihl und widmete sich dort bis zu seinem Tod 1945 der Arbeiterbildung und der von ihm mit gegrĂŒndeten Zeitschrift Neue Wege .
Inhalte und WĂŒrdigung
Das Reich Gottes ist zwar ânicht von dieser Weltâ (J 18.36), aber es ist eine Verheissung fĂŒr diese Welt. Wir Menschen sind aufgerufen, ihm den Weg zu bereiten. Ragaz schreibt dazu in seinem Bibelwerk: âSchon das Kommen des Reiches ist auch Sache des Menschen. Es ist gerĂŒstet, es wird angeboten, aber es kommt nicht, wenn nicht Menschen da sind, die darauf warten, die darum bitten, die fĂŒr sein Kommen arbeiten, kĂ€mpfen, leiden.â Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes heisst fĂŒr Ragaz in Anlehnung an die Urgemeinde âGenossenschaftlichkeitâ. Aus Wirtschaftsuntertanen sollen WirtschaftsbĂŒrger und -bĂŒrgerinnen werden. Der Genossenschaftssozialismus ist denn auch die Alternative nicht nur zur Alleinherrschaft des Kapitals, sondern auch zur Alleinherrschaft einer Partei. Ja, Ragaz kann die Losung vertreten: âMöglichst wenig Staat! In allem möglichst viel freie Selbstregulierung des Lebens.â Dahinter steht keine neoliberale Ideologie, sondern die Forderung nach genossenschaftlich verfassten und kooperierenden Betrieben und Unternehmungen. Nicht weniger als dem Sozialismus gilt Ragazâ Arbeit dem Frieden. Der Antimilitarismus ist die Konsequenz âder Ehrfurcht vor der WĂŒrde und Heiligkeit des Menschen und des Glaubens an ein Reich der Gerechtigkeit und Menschlichkeit, zu dem der Friede gehörtâ. Ragaz richtete an seine Genossinnen und Genossen die visionĂ€ren Worte: âWenn der Kapitalismus sich mit der Gewalt verbindet, so entspricht dies seinem Wesen, aber wenn der Sozialismus es tut, so ist es Abfall von sich selbst; es ist Untreue und Untreue ist Selbstauflösung. Sozialistischer Mörtel, der mit Gewalt angerĂŒhrt wird, hĂ€lt schlecht.â Das Bibelwerk von Ragaz ist auch eine Pioniertat auf dem Weg zu einer ökologischen Theologie. âWer an die Auferstehung Christi recht glaubt, der glaubt ĂŒberhaupt an die Auferstehung der ganzen Schöpfung..., auch an die Auferstehung der Naturâ, gibt Ragaz uns zu bedenken. Die Natur erhĂ€lt hier âihren Eigenwert und ihr Eigenrechtâ. Die Menschen sollen mit ihr partnerschaftlich umgehen und sie nicht ausbeuten oder gar zerstören. Destruktiv ist eine Technik, die nicht dem Menschen dient, sondern der Profitmaximierung. Ragaz kritisiert denn auch am Kapitalismus , ihm sei âkeine Landschaft zu schön, als dass er sie nicht durch die Technik entstellte, kein Bergtal mit seiner Geschichte zu heilig, als dass er es nicht in einem Stausee ertrĂ€nkte, wenn das dem Profite dient oder zu dienen scheintâ. Der Untergang des âreal existierenden Sozialismusâ hat den von Ragaz vertretenen Sozialismus nicht widerlegt. Dieser wartet unabgegolten auf seine Stunde: als religiöser Sozialismus , der aus der SpiritualitĂ€t des Reiches Gottes hervorgeht. Oder wie Ragaz sagt: âEs muss mehr als Sozialismus geben, damit Sozialismus sein kann.â
Weblinks
- Eintrag (inkl. Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Literatur von und ĂŒber Leonhard Ragaz im Katalog der DDB
- Kommentierte Literaturhinweise auf den Seiten der Zeitschrift Neue Wege
- Infos zu Clara und Leonhard Ragaz auf der Homepage der Religiös-Sozialistischen Vereinigung der Deutschschweiz
- Diplomarbeit zur Geschichtstheologie von Ragaz
Personendaten | |
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NAME | Ragaz, Leonhard |
ALTERNATIVNAMEN | |
KURZBESCHREIBUNG | Theologe und MitbegrĂŒnder der religiös-sozialen Bewegung in der Schweiz |
GEBURTSDATUM | 28. Juli 1868 |
GEBURTSORT | Tamins, Kanton GraubĂŒnden |
STERBEDATUM | 6. Dezember 1945 |
STERBEORT | ZĂŒrich |
Kategorien : Mann | Schweizer | Reformierter Theologe (20. Jh.) | Reformierter Geistlicher | BĂŒndner | Geboren 1868 | Gestorben 1945
Wikipedia
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