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Letzte Änderung für Artikel Buddenbrooks: 18.02.2006 20:40

Buddenbrooks

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Buddenbrooks ist ein Roman von Thomas Mann mit dem Untertitel "Verfall einer Familie". Er schildert die langsame Degeneration einer Kaufmannsfamilie aus einer norddeutschen Handelsstadt. Der Roman spielt etwa von 1835 bis 1877 und umfasst vier Generationen der Familie Buddenbrook.

Buddenbrooks – Ausgabe von 1903
Buddenbrooks – Ausgabe von 1903

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Früher Erfolg und Nobelpreis für Literatur

Im Rückblick auf sein erstes bekanntes Werk berichtet Thomas Mann 1926 in der Rede Â»Lübeck als geistige Lebensform« von einem Brief seines Verlegers Samuel Fischer vom 29. Mai 1897 , in dem dieser ihm anbietet, Â»ein größeres Prosawerk« zu veröffentlichen.

Buddenbrooks entstand in den Jahren 1897 bis 1900 . Mann erwähnt den Roman erstmals in einem Brief an einen Freund, Otto Grautoff, vom 20. August 1897. Im Verlauf der nächsten Jahre wuchs der Roman zu seinem heute bekannten Umfang an. Am 18. Juli 1900 schloss Thomas Mann das Manuskript ab und schickte es am 13. August 1900 an den Verleger Samuel Fischer.

Das Werk wurde 1901 veröffentlicht, war aber nicht von Anfang an ein Erfolg. Die ersten 1.000 Exemplare (Oktober 1901) verkauften sich innerhalb eines Jahres. Der für die damalige Zeit hohe Preis von 12 Mark (geheftet) bzw. 14 Mark (gebunden) behinderten wahrscheinlich zunächst den Absatz. Die 2. Auflage ( 1903 ) von 2000 Exemplaren zu einem geringeren Preis war schnell vergriffen, Nachdrucke wurden notwendig. 1918 waren 100.000 Exemplare verkauft, im Dezember 1930 eine Million. Am 12. November 1929 erhielt Thomas Mann vornehmlich für diese Leistung den Nobelpreis für Literatur . Zeit seines Lebens sollte sich Mann an seinem Erstling messen.

Offizielle Diffamierung ab 1936

Zu Beginn der Diktatur des Nationalsozialismus 1933 war das Verhältnis Thomas Manns zum offiziellen, politischen Deutschland von Ambivalenz geprägt. In den nach den Bücherverbrennungen des 10. Mai 1933 im Börsenblatt des deutschen Buchhandels veröffentlichten Listen unerwünschter Autoren steht sein Name nicht. Bis 1936 durften seine Bücher noch in Deutschland erscheinen. Erst nachdem Mann die tschechische Staatsbürgerschaft angenommen hatte und infolgedessen aus Deutschland ausgebürgert worden war, erscheint sein Gesamtwerk auf der Liste des Â»schädlichen und unerwünschten Schrifttums« des Propagandaministeriums . Erstmals belegt ist dies für den 9. Dezember 1936 . Seine Bücher wurden in Deutschland beschlagnahmt, die Presse angewiesen, über ihn zu schweigen.

Wiederentdeckung

Insbesondere mit der Erscheinung preiswerter Taschenbuchausgaben nach dem 2. Weltkrieg stieg die Gesamtauflage des Romans in vielfache Millionen an. Bis 1994 waren die Â»Buddenbrooks« in 37 Sprachen übersetzt worden. Neues Interesse erwachte mit dem Film von Heinrich Breloer , Die Manns , und der Feier von Thomas Manns 50. Todestag am 12. August 2005. 2002 erschien eine neu edierte Ausgabe der Â»Buddenbrooks« mit Kommentarband im Rahmen der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe der Werke Thomas Manns.

Inhalt

Höhepunkt der Familiengeschichte: Das Haus in der Mengstraße

Der Roman beginnt mit einem Familienfest zur Einweihung des neu erworbenen Hauses der Familie Buddenbrook in der Mengstraße. Mit einem üppigen Mahl feiert die Familie um Johann Buddenbrook den Älteren in Anwesenheit einiger Honoratioren der Stadt den Erwerb eines der besten Häuser im Kaufmannsviertel einer norddeutschen Hansestadt.

Die kaufmännische Tüchtigkeit des alten Johann Buddenbrook hat aus einem kleinen Familienunternehmen eine der wichtigsten Handelsfirmen der Stadt gemacht. Deshalb konnte sie das Haus aus dem Besitz der bankrotten Familie Ratenkamp erwerben. Es breitet sich Behaglichkeit aus, die Stimmung ist gelöst, der Stadtpoet Jean-Jacques Hoffstede trägt ein Widmungsgedicht vor. Heiter bewegt sich das Gespräch in plattdeutsch, hochdeutsch und französisch durch das Tagesgeschehen, alte Anekdoten werden aufs neue zum Besten gegeben.

Doch entspricht nicht alles dem schönen Schein: Am gleichen Tag ist ein Brief eingetroffen, der einen länger schon schwelenden Familienkonflikt auf die Spitze treibt. Die Idylle dauert nicht lange, schon erhält das glänzende Familienbild erste matte Stellen.

Dekadenz und geschäftlicher Abstieg

Die Vertreter der folgenden Generationen können dem Vorbild dieses arbeitsamen, tatkräftigen Kaufmanns immer weniger genügen. Stattdessen tritt bei mehreren Familienmitgliedern eine dem entschiedenen Auftreten abträgliche Selbstreflexion immer stärker und von Generation zu Generation fortschreitend hervor.

Äußerlich geht es dabei mit dem Haus Buddenbrook noch längere Zeit bergauf. Das Vermögen der Familie bleibt trotz gelegentlicher finanzieller Rückschläge beträchtlich. Den Höhepunkt an Ruhm und Ansehen erreicht die Familie, als Thomas Buddenbrook zum Senator der Stadt gewählt wird. Nach dessen eigener Überzeugung jedoch tritt dieser äußere Glanz - und zwar stets - erst zutage, wenn das Licht, das diesen Glanz erzeugt, in Wahrheit bereits zu verlöschen beginnt.

Bürger und Künstler – der Lebenskonflikt der Buddenbrooks

Die Rolle als tüchtiger Kaufmann und Politiker wird Thomas Buddenbrook mehr und mehr zur Last. Zunehmend verliert er die Zuversicht in die Wichtigkeit seines Handelns. Gesundheitliche und finanzielle Probleme stellen sich ein, die er nur mühsam seiner Umgebung gegenüber verbirgt. So gleicht sein alltägliches Leben immer mehr dem eines Schauspielers. Das von Thomas stets willentlich verdrängte künstlerisch-vergeistigte Element seiner Person kommt, von Todesvorahnungen begleitet, deutlich zum Vorschein. So berauscht er sich an der Lektüre von Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung". Das kurzzeitige traumartige Aufflackern philosophischer Erkenntnis bleibt aber letztlich folgenlos, da Thomas sich nicht von seiner öffentlichen Rolle lösen kann und will.

Thomas' innerer Konflikt spiegelt sich in seinem Widerwillen gegenüber Christian, seinem Bruder, der all das verkörpert, was Thomas in sich unterdrückt, um als tüchtiger Kaufmann zu repräsentieren. Christian fehlt die Disziplin für konsequente Arbeit. Er verbringt seine Zeit mit anderen Lebemännern in Clubs und im Theater und ist ständig in Reflexionen über seine innere Befindlichkeit und seine Krankheiten vertieft. Einen solchen Hang zur Selbstbespiegelung würde Thomas höchstens einem Schriftsteller zugestehen - bei Christian macht er ihn rasend. Doch tatsächlich hat Christian durchaus künstlerische Fähigkeiten. Er kann fesselnd erzählen und zeigt sein komödiantisches Talent, wenn er andere Leute nachahmt.

Mit der Heirat von Thomas (der seine wahre Liebe zum Blumenmädchen unterdrückt) und Gerda kommt die Musik in das Haus der Buddenbrooks und damit der Tod. Gerda ist von schwacher physischer Konstitution und der Nachkomme Hanno Buddenbrook bekommt diese Gene mit auf den Lebensweg. Der Hang zur Kunst und eine damit einhergehende Lebensuntüchtigkeit treten bei Hanno, dem Sohn von Thomas und seiner musikbegeisterten Frau Gerda, noch deutlicher hervor. Der lang erwartete einzige Erbe erweist sich von Anfang an als schwach und übersensibel. Thomas' Bemühungen, darüber hinwegzusehen und doch noch einen Kaufmann, nach dem Vorbild des Urgroßvaters, aus seinem Sohn zu machen, tragen nur zur Entfremdung der beiden bei. Nach dem frühen Tod von Thomas - er stirbt nach einer banalen Zahnbehandlung - ist das kaufmännische Ende der Familie besiegelt und das große Haus der Buddenbrooks wird verkauft. Hanno hat Anlagen zum Komponisten, es fehlt ihm aber an Tatkraft und Lebensmut. Er bleibt lebensuntüchtig, ein Außenseiter und findet Trost allein in seiner Musik und bei seinem schriftstellernden Freund Kai.

Hanno fällt frühzeitig einer Typhuserkrankung zum Opfer. Nach seinem Ende zerstreuen sich die wenigen verbliebenen Familienmitglieder. Einzig Tony, für die die Familie und das Elternhaus nach zwei gescheiterten Ehen alles gewesen sind, bleibt alleine in einem Haus am Stadtrand zurück.

Zeittafel

  • 1768
    • Gründung der Firma Joh. Buddenbrook
  • 1825
    • Johann Buddenbruck und Elisbeth Kröger heiraten
  • 1835
    • Mitte Oktober: Familienfeier zur Einweihung des neuen Hauses in der Mengstraße
    • Konsul Johann Buddenbrook d. J. ist mit seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Kröger seit 10 Jahren verheiratet
    • Erbstreit mit Gotthold Buddenbrook
  • 1838
    • Geburt Clara Buddenbrook
    • Eltern seit 1825 verheiratet
  • 1842
    • Jan.: Tod von Antoinette Buddenbrook, geb. Duchamps, zweite Ehefrau von Johann Buddenbrook d.Ä.
    • März: Tod von Johann Buddenbrook d. Ä., Konsul Johann Buddenbrook übernimmt die Firma
    • Thomas Buddenbrook wird mit 16 Jahren Lehrling im Firmenkontor
    • Konsul Johann Buddenbrook 44 Jahre alt
    • Antonie Buddenbrook (»Tony«) im Pensionat von Therese (»Sesemi«) Weichbrodt
  • 1845
    • Juni: Bendix Grünlich wirbt um Antonie Buddenbrook
    • 22. September: Antonie Buddenbrook verlobt sich mit B. Grünlich
  • 1846
    • Jahresbeginn: Heirat Antonie Buddenbrook + Bendix Grünlich
    • Thomas geht nach Amsterdam
    • Christian geht nach London
  • 1848
    • 1. Oktober Â»Revolutschon« in Lübeck; Konsul Buddenbrook beruhigt das Volk
    • 8. Oktober: Geburt von Erika Grünlich
    • Tod von Lebrecht Kröger
    • Klothilde Buddenbrook 21 Jahre
  • 1850
    • betrügerischer Bankrott Grünlichs; Rückkehr Antonies ins Elternhaus
    • Februar: Ehescheidung Antonies
    • Thomas Rückkehr aus Amsterdam
  • 1851
    • Christian von London nach Valparaiso
  • 1855
    • September: Konsul Johann Buddenbrook d. J. stirbt mit 53 Jahren
  • 1856
    • Thomas übernimmt die Leitung der Firma
    • Febr.: Rückkehr Christians, erfolgloser Einstieg in die Firma
    • Mai: Gotthold Buddenbrook stirbt im Alter von 60 Jahren
    • Thomas wird niederländischer Konsul
    • Juli: Verlobung Claras mit Pastor Tiburtius aus Riga
    • Verlobung von Thomas mit Gerda Arnoldsen aus Amsterdam
    • Dez.: Heirat von Clara
  • 1857
    • Anfang d.J.: Thomas Buddenbrook heiratet Gerda Arnoldsen
    • März: zieht mit seiner Frau in das Haus in der Breiten Straße
    • April: Tony lernt in München Alois Permanender kennen
    • Juni: geschäftliche Trennung von Thomas und Christian; Christian geht nach Hamburg
    • Herbst: Tony heiratet Permaneder
  • 1858
    • Frühjahr: Thomas B. 32 Jahre alt; Wahl in den Vorstand der Büchener Bahn
  • 1859
    • Nov.: Trennung und Scheidung Antonies von Permaneder; Rückkehr nach Lübeck
  • 1861
    • 15. April: Geburt von Justus Johann Kaspar (Hanno) Buddenbrook
    • Christian nach London
  • 1862
    • Februar: Wahl Thomas B.s zum Senator, setzt sich gegen Hermann Hageström durch
  • 1863
    • Herbst: Neubau des Hauses in der Fischergrube
  • 1864
    • Frühjahr: Richtfest in der Fischergrube
    • Juli: Clara Tiburtius stirbt; ihr Ehemann erschleicht sich das Erbteil
    • Deutsch-dänischer Krieg
  • 1867
    • April: Erika Grünlich heiratet Hugo Weinschenk
    • Christian in Lübeck
  • 1868
    • Januar: Geburt von Elisabeth Weinschenk
    • Mai: Thomas Buddenbrook kauft die Getreideernte von Gut Pöppenrade Â»auf dem Halm«
    • 7. Juli: 100-jähriges Firmenjubiläum; Pöppenrader Ernte durch Hagelschlag vernichtet, erhebliche Verluste der Firma
  • 1870
    • Letztes Weihnachtsfest in der Mengstraße
  • 1871
    • Januar: Hugo Weinschenk zu 3 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt
    • Herbst: Konsulin Elisabeth Buddenbrook stirbt
    • Dezember: Hermann Hagenström erwirbt das Haus in der Mengstraße
  • 1872
    • Ferien in Travemünde; Hanno kränklich
  • 1873
    • Anfang: Hugo Weinschenk aus der Haft entlassen, geht nach England
  • 1874
    • Frühjahr/Sommer: Gerda Buddenbrook 45 Jahre alt; musiziert mit Leutnant von Throta
    • Thomas Buddenbrook 48 Jahre alt. Lektüre Schopenhauers , Testament
  • 1875
    • Januar: Thomas Buddenbrook stirbt
  • 1876
    • Christian Buddenbrook heiratet Aline Puvogel
    • Liquidation der Firma Buddenbrook
    • Herbst: Gerda zieht mit Hanno in eine Villa vor der Stadt
  • 1877
    • Anfang d.J.: Hanno 15 Jahre alt
    • Frühjahr: Hanno stirbt an Typhus
    • Herbst: Gerda verlässt nach 21 Jahren die Stadt; Rückkehr in die Niederlande

Interpretation

Personen des Romans

Johann Buddenbrook – Patriarch und unerreichtes Vorbild

Johann Buddenbrook der Ältere hat im Roman die Funktion des Rollenvorbilds. In seiner Generation erreicht die Familie den Zenit ihrer bürgerlichen Karriere. Er ist aus seiner ganzen Natur heraus Geschäftsmann mit klaren Begriffen von seiner Umwelt, sicherem kaufmännischen Gespür - und der Fähigkeit, das Erreichte in behaglicher Zufriedenheit zu genießen.

Schon im ersten Satz des Romans mokiert er sich über die Bemühungen der kleinen Tony, den ersten Artikel des zweiten Hauptstücks (»Vom christlichen Glauben«) aus dem Kleinen Katechismus Martin Luthers aufzusagen: Â»Je, den Düwel ook, c´est la question, ma très chère demoiselle«. Die Mischung aus niederdeutschem Dialekt und französischen Satzteilen kennzeichnet die ältere Generation, besonders aber Johann B. d. Ä. Er hat kein Bedürfnis nach Religion oder Welterklärung, er ist ein Mann der Tat, geistig der Aufklärung verpflichtet, Bewunderer Napoleons .

Seiner kaufmännischen Tatkraft als preußischer Heereslieferant während der Befreiungskriege verdankt die Firma ihren Aufstieg. Kraftvoll hat er die Gunst der Stunde genutzt und die Firma zu der Höhe geführt, in der sie sich zu Beginn des Romans zeigt; Die Familie erwirbt das Haus der Ratenkamps, mit dessen Einweihung der Roman beginnt.

In einzelnen Aspekten rührt der Â»Verfall« aber doch schon an Johann Buddenbrook: Seine erste Frau ist zum Zeitpunkt des Handlungsbeginns schon tot. Mit ihr hatte ihn tiefe Liebe verbunden, die in Einklang mit geschäftlichen Interessen gestanden hatte. Demgegenüber scheint seine zweite Ehe stärker vom geschäftlichen Interesse bestimmt zu sein. Während der Tod seiner ersten Frau ihn in Â»wilde Verzweiflung« stürzt, erlebt er das Sterben seiner zweiten Frau viel distanzierter. Hier zeichnet sich schon die Entfremdung, das Nebeneinander-Leben der Ehepartner ab, das in den Folgegenerationen stärker hervortreten wird.

Antonie (Tony) Buddenbrook – ein Â»gutes Kend«

Oft als Â»heimliche Hauptperson« des Romans bezeichnet, ist Antonie Buddenbrook eine Konstante im Familienleben. Als einzige der Hauptfiguren bleibt sie während der gesamten Handlung fast unverändert sie selbst: kindlich naiv, unerschütterlich in ihrem Familiensinn, der Firma treu: Eisern hält sie die Illusion der Achtbarkeit fest, Â»vornehm« sein ist ihr wichtigstes Lebensprinzip. Dabei ist es ausgerechnet Antonie, die der Illusion der ehrbaren Firma am meisten opfert: Sie verzichtet im Interesse der Firma auf ihre Liebe zu Morten Schwarzkopf. Sie heiratet den schmierigen Bendix Grünlich, um das Firmenvermögen zu mehren und die geschäftlichen Kontakte der Firma zu verbessern. Selbst als zweifach geschiedene Frau besteht sie auf den sozialen Vorrechten, die ihr als höhere Tochter und Mitglied der Â»ersten Kreise« zustehen. Ihr ist eine einmalige Geste zu eigen, mit der sie Respekt einfordert: Sie legt den Kopf zurück und versucht trotzdem, das Kinn auf die Brust zu drücken.

Sprunghaft in Stimmungen und Ansichten wie ein Kind, von wenig Bildung behindert, ist sie eher ein seichtes Gewässer, das aber desto lauter plätschert. Bald tieftraurig, bald wieder fröhlich lachend, kann sie nie für längere Zeit gedrückter Stimmung sein. Â»Das Leben«, welches ihr Thomas Mann ironisch als Leitmotiv zugeordnet hat, ist ihr vergleichsweise hart begegnet. Dennoch ist sie im Gegensatz zu ihren ständigen Beteuerungen aus ihren Erfahrungen nicht klüger geworden: Sie heiratet Alois Permaneder aus München. Permaneder entschließt sich gleich nach der Heirat - zum Entsetzen Tonys - zur Ruhe zu setzen, um Privatier zu werden:

"Tonerl, mehr brauchen mer nimmer. I hab´mi allweil geschunden und jetzt will i mei Ruh. ... I bin ka Protzen net und mag net allweil a Göld z´sammen scharrn; von morgen ab mach´i Schluß und werd Privatier “ (zit. nach: Th. Mann, Die Buddenbrooks, Frankfurt 1974)

Permaneder betrügt Tony mit der Köchin, um sie danach mit ungalanten Ausdrücken zu ihrer Familie zurück zu schicken. Tony Buddenbrook kann auch ihre Tochter, Erika Grünlich, nicht vor Versicherungsdirektor Hugo Weinschenk bewahren. Im Gegenteil, mit dem ihr eigenen kindlich-dümmlichen Enthusiasmus stürzt sie sich in Â»ihre« dritte Ehe.

Als einzige der Hauptfiguren (neben dem alten Johann Buddenbrook) verfügt sie über Herzlichkeit und Wärme, die die übrigen Mitglieder der nüchtern berechnenden Kaufmannsfamilie völlig vermissen lassen. Sie kann lieben. Sie spricht mit den Familienmitgliedern, behält deren Belange im Auge, geht auf sie ein.

»Sie ist unbezahlbar, Mutter! Wenn sie heucheln will, ist sie unvergleichlich! Ich schwärme für sie, weil sie einfach nicht imstande ist, sich zu verstellen, nicht über tausend Meilen weg...« (Thomas Buddenbrook jun., GFKA, S. 339, 21ff.)

Senator Thomas Buddenbrook – Â»ein Wissender vor seinem Geschick«

»Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mach nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können!«.

Der Wahlspruch der Firma Joh. Buddenbrook bestimmt auch Thomas Buddenbrooks Leben. Im Gegensatz zu seinem Großvater, auf den der Wahlspruch voll zutrifft, und zu seinem Vater, Konsul Jean Buddenbrook, der seine Geschäfte zwar unter Anstrengung, aber doch erfolgreich verrichtet, kommt Thomas Buddenbrook seiner Rolle als Geschäftsmann nur mit Mühe und im Grunde aus Pflichtgefühl nach.

Von Johann Buddenbrook dem Älteren hat er zwar die Weltoffenheit geerbt, nicht aber dessen Unbefangenheit, Jovialität und Begabung zum Â»Behagen«. Differenzierter und gebildeter als seine Vorfahren, sind seine ersten Jahre als Chef der Firma von geschäftlichen Erfolgen gekennzeichnet. Das Ansehen seiner Familie und seine fortschrittliche Denkweise gereichen Thomas auch politisch zum Vorteil: Als Mitglied des Stadtparlaments setzt er sich für die Bahnverbindung nach Hamburg, eine moderne Gasbeleuchtung der Straßen ein und arbeitet für den Beitritt seiner Stadt zum Zollverein. Mehr als seine Vorfahren, aber letztlich doch auf dem von diesen erworbenen Ansehen fußend, erreicht er in der Politik: Er wird zum Senator seiner Heimatstadt gewählt.

Im Laufe der Zeit erscheint Thomas Buddenbrook zunehmend rastlos. Oft ohne ersichtlichen Grund beginnt er kostspielige und unnötige Projekte wie den Bau eines eigenen Hauses. Er ist nicht mehr Â»mit Lust bey den Geschäften«, falls er dies jemals war. Er empfindet seine Lebensrolle als Kaufmann als ungenügend. Während er im öffentlichen Leben ein glänzendes Ansehen genießt, wird er als Geschäftsmann unsicher. Er läßt sich auf Geschäfte ein, die geeignet sind, ihn nachts nicht mehr Â»ruhig schlafen« zu lassen, wie den Kauf des Pöppenrader Getreides, der den endgültigen Wendepunkt des Firmengeschicks markiert.

Als Pflichtmensch betreibt er die Firma unverändert weiter, nur in kurzen Augenblicken des Alleinseins lockert sich seine strenge Selbstbeherrschung und sein Gesicht drückt Mut- und Energielosigkeit aus. Mehr und mehr erstarrt er in den Â»bewährten« Geschäftspraktiken seiner Vorfahren, deren er sich zunehmend mit Unbehagen erinnert, während das öffentliche Leben und besonders der Handel sich in der Stadt mit Anbruch der Neuzeit verändern. So weltoffen und gebildet er zu Beginn seiner Karriere erschien, so reaktionär erstarrt tritt er am Ende seines Lebens auf. Die Firmengeschäfte entwickeln sich entsprechend zurück, der weit dimensionierte Handel ist nicht mehr Sache der Firma Buddenbrook.

Die Begegnung mit Schopenhauers Werk versetzt ihn in einen rauschhaften Zustand der Bewußtwerdung seiner Existenz. Desillusioniert begreift er sich als schwächlich und schwankend, gescheitert. Seine Bewunderung für die im Leben Souveränen und Starken schließt die Ablehnung seines eigenen Lebens, folgerichtig auch das Akzeptieren des eigenen Todes mit ein. Er begegnet seinem Geschick in vollem Wissen um seine traurige Rolle: Im Testament verfügt er die Auflösung der Firma Buddenbrook.

Christian Buddenbrook – Â»ein Narr vor seinem Geschick«

Christian ist als Zwillingsgestalt und Spiegelbild zu seinem Bruder Thomas angelegt. Thomas Mann hat sich in den beiden Figuren von Christian und Thomas Buddenbrook in dem Roman "verwirklicht". Das Gegensatzpaar Bürger-Künstler tritt hier am deutlichsten hervor. Im Gegensatz zu Thomas weicht Christian seinen Verpflichtungen lebenslang aus und flüchtet in Krankheiten. Während sein Bruder die Pflicht und das Geschäft als Lebensprinzip annimmt, lebt Christian in der Welt des Scheins, des Â»Tingeltangel fünfter Ordnung«, im Theater und im Club der Â»Suitiers«. Zu Disziplin und Konzentration ist er völlig unfähig, Lebensproblemen weicht er grundsätzlich aus.

Ähnlich wie Thomas eignet ihm ein starker Hang zur Selbstbeobachtung. Im Gegensatz zu diesem, der die Introspektion als hinderlich und untüchtig machend bekämpft, überlässt sich Christian ihr uneingeschränkt. Die akribisch hypochondrische Beobachtung seiner körperlichen Befindlichkeiten ist sein am konsequentesten durchgehaltenes Lebens- und Gesprächsthema. Schauspielerisch gekonnt weiß er diese Themen durch eingebildete Unglücksfälle dramatisch zu erweitern. In seiner bohèmehaft -formlosen Existenz verkörpert Christian Buddenbrook im Roman - neben Hanno - am reinsten den Typus des Künstlers als äußersten Gegensatz zum Bürger: »Wie satt ich das alles habe, dies Taktgefühl und Feingefühl und Gleichgewicht, diese Haltung und Würde, wie sterbenssatt!«

Wesentliche Charakterzüge verdankt Christian Buddenbrook Thomas Manns "Onkel Friedel" , Friedrich Wilhelm Leberecht Mann (1847-1927). Friedrich Mann verbrachte seit 1875 immer wieder Aufenthalte in verschiedenen Nervenheilanstalten.

Gerda Buddenbrook – Venus im Zauberberg, vor der Zeit

Gerda Buddenbrook tritt im Roman kaum in Erscheinung, obwohl sie als Frau von Thomas Buddenbrook im Zentrum des Geschehens steht. Sie tritt als Fremde in die Familie ein, als Fremde steht sie durch Jahrzehnte hindurch in der Familie. Fremd und wie unbeteiligt, als ginge sie das Geschehen nichts an, steht sie oft nur dabei. Durch ihre Musikalität (sie besitzt eine Stradivari ) ist sie die einzige Â»echte« Künstlerin im Roman. Ihre emotionale Kälte, die weißkalten Hände, das weiße Gesicht, ihr Hang zu Migräne, ihr Künstlertum hat im späteren Werk von Thomas Mann eine Parallelfigur in Adrian Leverkühn, den Musiker aus Â» Doktor Faustus «. Anklänge finden sich auch zu Clawdia Chauchat im Roman Â»Der Zauberberg«.

Fast könnte man sie als Â»Schicksalsbotin« ansehen. Oft wird sie im Roman mit Attributen aus der Mythologie in Verbindung gebracht: Â» Here und Aphrodite , Brünnhilde und Melusine in einer Person« nennt sie Makler Gosch. Mit Hilfe der Musik Richard Wagners entfremdet sie Hanno Buddenbrook, ihren Sohn, von seiner Familie, fördert seine Schwäche und Dekadenz. Scheinbar alterslos und von der Zeit unverändert während des gesamten Romans, verlässt sie nach dem Tod ihres Mannes und Sohnes wie eine Schicksalsgöttin oder Norne nach vollbrachtem Werk die Familie.

Hanno Buddenbrook – Musik als Weg zum Nichts

Die Figur des Justus Johann Kaspar (Hanno) B. taucht schon in den frühesten Entwürfen zum Roman auf. Einziger Sohn von Thomas und Gerda B., vollendet sich in seiner Person die Degeneration des Bürgerlichen.

Hatte noch sein Vater aus dem Pflichtgefühl die Kraft geschöpft, sein Leben zu bestehen, ist Hanno zu eigenständigem Handeln zu schwach. Die in der Familientradition gründende Aufgabe, Kaufmann zu werden und die Firma weiterzuführen, im lebensphilosophischen Sinn Nietzsches Forderung zu genügen, in der Hingebung an die großen Affekte sich aus der eigenen Enge und Unlust zu befreien, findet Hanno nicht den Antrieb. Er gibt sich nicht rauschhaft dem Leben hin, sondern nur der Klavierfantasie, ironisch-passenderweise Wagnerscher Prägung. Nicht einmal die Musik ist selbst geschaffen. Seine Komposition paraphrasiert unfruchtbar das Werk eines anderen, Wagners Â» Tristan «. Das Klavierspiel ist in seiner orgienhaften Ausdehnung deutlich autoerotisch geprägt. Hanno schöpft daraus keine Kraft, seine Erfahrung ist die des Â»Nichts«.

Die Hoffnungen Tonys, Hanno könnte in der Musik eine neue Familientradition begründen, erfüllen sich nicht: Kalt und sachlich verzeichnet ein Artikel aus Meyers Konversationslexikon die Todesursache Hanno Buddenbrooks: Â» Typhus «. Mit ihm bricht die Genealogie der Buddenbrooks ab.

Leitmotive und Symbole im Roman

»Das Leben«

Bevorzugtes Gesprächsthema Antonie Buddenbrooks. Ihre Behauptung, sie kenne Â»das Leben«, widerlegt sie selbst durch ihre desaströsen Eheschließungen und mit ihren Ratschlägen, die für die Firma katastrophale Folgen haben (z.B. Kauf des Pöppenrader Getreides Â»auf dem Halm«).

»Sei glücklich, du gutes Kind« â€“ Sesemi Weichbrodt als Kassandra

In der spezifischen Sprechweise Therese (Sesemi) Weichbrodts lautet der Spruch: Â»Sei glöcklich, du gutes Kend«. Mit diesem Wunsch besiegelt die alte Erzieherin mehrerer Buddenbrook-Generationen Hochzeiten und andere feierliche Anlässe im Leben ihrer ehemaligen Schützlinge. Oft hat sie bei diesen Anlässen das letzte Wort. Angesichts des Scheiterns dieser Ehen, des Niedergangs der Firma kommt dem Ausspruch im Verlauf des Romans die Bedeutung eines schlimmen Omens zu. Nur folgerichtig schließt eine Sentenz Sesemi Weichbrodts auch den Roman ab: Ihr kommen die letzten gesprochenen Worte zu, das Siegel des Schicksals: Â»Es istso !«. Daß sie in dieser Situation Tony Buddenbrooks Hoffnung auf den Glauben, auf ein Wiedersehen im Jenseits, mit ihrem Spruch Â»bekräftigt«, setzt den Niedergang der Familie auf der letzten Seite des Romans in die metaphysische Dimension fort.

Farbsymbolik: blau, gelb

Durch den gesamten Roman zieht sich die konsequente Erwähnung der Farben Blau und Gelb, die nicht nur in Thomas Manns ausführlichen Erstbeschreibungen von Personen und Szenarien zum tragen kommen, sondern auch in leitmotivischer Intention wiederholt werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass sie eine zentrale Rolle im Buch spielen, also eng verknüpft sind mit dem Hauptproblem, dem Verfall der Familie Buddenbrook und gesellschaftlicher Umschichtung im allgemeinen.

Innerhalb der Linie der erstgeborenen männlichen Buddenbrooks zeigt sich, dass die Farbe Blau in Zusammenhang mit jener Entwicklung steht, die sich in den buddenbrookschen Nachkommen zeigt. Mit dem Verfall ist aber bei der Verwendung der Farbe blau als Leitmotiv immer auch ein Aspekt der Verfeinerung verbunden, insbesondere bei Thomas, Gerda und Hanno. Meist werden Â»künstlerische« Organe wie Augen, Hände oder die Schläfen als Â»bläulich schimmernd« bezeichnet. Außerhalb der Linie der Erstgeborenen steht Blau für allgemeines Scheitern und negative Einflüsse auf die Familie Buddenbrook und tritt bei anderen Personen und sogar der Natur auf.

Im Gegensatz zur blauen Farbe weist Gelb auf Tradition, Stärke, Hoffnung und Aufschwung hin. Auch diese Farbe tritt sowohl in direkter Nähe zu den Buddenbrooks (Einrichtung ihres Hauses und ihres Gartens) als auch außerhalb der Familie (z.B. einfaches Volk, aufstrebendes Bürgertum und Haus der Bürgerschaft) auf. Außerhalb der Familie Buddenbrook steht die Farbe Gelb für Solidität und Konstanz.

Alternative Interpretation der Farbe Gelb

Die Farbe Gelb kann alternativ ebenfalls als leitmotivisch für den Verfall angesehen werden: Die Farbe tritt in der Einrichtung des Â»Landschaftszimmers« in den Vordergrund, ausdrücklich werden die gelblichen Sonnenuntergänge erwähnt. In diesem Zimmer versammeln sich die Buddenbrooks zu Beginn des Romans. Bei seinem Tod ist Lebrecht Krögers Gesicht Â»gelb und von schlaffen Furchen zerrissen«, gleichermaßen gelblich wirken Konsul und Konsulin im Tode. Das neugeborene Kind Clara (sie wird als junge Frau an Tuberkulose versterben) hat Â»gelbe, runzlige Fingerchen«. Die Romanze zwischen Tony Buddenbrook und Morten Schwarzkopf steht unter Â»gelben« Vorzeichen; der Leuchtturm ist gelb, die Abhänge aus gelbem Lehm, das Seegras gelbgrün, die Quallen rotgelb. Grünlichs Â»goldgelbe Favoris« werden vielfach zitiert. Das Licht in Hannos Zimmer in Travemünde ist Â»gelblich«, er schläft in einem Â»gelbhölzernen« Bett. Die Ernte von Pöppenrade ist Â»gelbreif«. Nach dieser Interpretation ist Â»gelb« eindeutig dem Scheitern, dem Versagen zugeordnet und hat keine positive Assoziation.

Sprache, Dialekte

Niederdeutsch/Dialekt als Ausdruck der Bodenständigkeit, des engen Kontakts zur Stadt, des Naturgemäßen (Johann Buddenbrook d.Ä., Jean Buddenbrook)? Weitgehende Sprachlosigkeit Gerdas im Roman!

Hände

Die Hände der Romanfiguren spielen in Â»Buddenbrooks« eine wichtige Rolle. Die stärkeren Familienmitglieder haben weiße Hände (Johann, Konsulin, Tony), Grünlich hat Â»lange, weiße«, Â»von bläulichen Adern durchzogene« Hände, Permaneder Â»weiße, feiste« Hände. Besonders auffällig und ungewöhnlich sind Hannos Hände, die - im Gegensatz zu den Händen der anderen Familienmitglieder - am Klavier Â»alle Nonen und Dezimen« greifen können, also über die große Spannweite verfügen, die der Musiker braucht. Auch physisch ist bei Hanno die Metamorphose zum Künstler vollendet.

Permaneders schreckliches Wort

Unverzeihlich und in gepflegter Konversation unter keinen Umständen wiederzugeben ist jenes Schimpfwort, das Alois Permaneder seiner Frau Antonie an den Kopf wirft: Ein einziges Schimpfwort von äußerster, nicht wiederzugebender Unanständigkeit aus dem Munde Permaneders treibt die unwiderrufliche Zerrüttung auch der zweiten Ehe Antonie Buddenbrooks zu ihrer krisenhaften Zuspitzung. Über mehrere Kapitel hinweg werden die Leser im Unklaren gelassen, in welche Worte der endgültige Bruch wohl gefasst worden sei. Leitmotivisch spielt Thomas Mann hier nicht nur mit seinen Romanfiguren, sondern auch mit seinen Lesern.

»Buddenbrooks« als Schlüsselroman

Obwohl der Roman kein einziges Mal den Namen der Stadt erwähnt, in der die Geschichte spielt, kann man anhand der Straßennamen, wie der Mengstraße, der Wiedergabe der Stadtgeschichte und der Beschreibung der Umgebung schnell erkennen, daß Thomas Manns Heimatstadt Lübeck gemeint ist.

Viele Figuren des Romans haben reale Vorbilder aus der Familiengeschichte der Manns, viele Nebenfiguren sind Lübecker Bürgern nachgestaltet. Aufgrund der ausgeprägten, zuweilen gnadenlos karikierenden Ironie der Schilderung waren die Portraitierten nicht sehr begeistert, sich in diesem Buch wiederzufinden. Die Beziehungen zwischen Thomas Mann und seiner Heimatstadt waren noch viele Jahre nach dem Erscheinen des Romans sehr angespannt.

Ironie der Geschichte: "Buddenbrooks" dienten dem Verleger Klaus Wagenbach in der gerichtlichen Auseinandersetzung um Klaus Manns Buch " Mephisto " als Argumentationshilfe, um das Recht des Schriftstellers zu untermauern, zeitgenössische Gestalten in Form eines Schlüsselromans literarisch zu verwerten.

Thomas Mann – Der Autor als Buddenbrook

Der Autor selbst bildet viele eigene Charakterzüge in seinen Romanfiguren ab. Am nächsten steht ihm, wie er selbst mehrfach gesagt hat, Hanno Buddenbrook.

Johann Buddenbrook der Ältere

Als Johann Buddenbrook d.Ä. wird Johann Siegmund Mann I identifiziert, der Gründer der Firma Mann. Von ihm stammt der zitierte Wahlspruch Â»Mein Sohn, arbeite gerne am Tage, aber mache auch nur solche Geschäfte, daß wir bei Nacht ruhig schlafen können.«. Er wurde 87 Jahre alt und starb, wie Viktor Mann berichtet Â»im Revolutionsmärz 1848, wie man erzählt, an einem Schlaganfall, den ihm, dem Feudalrepublikaner, seine kochende Wut über die harmlos randalierende 'Canaille' eingetragen hatte«.

Antonie Buddenbrook

Thomas Manns Schwester Julia schrieb ihrem Bruder im Jahr 1897 einen umfangreichen Bericht über beider Tante Elisabeth Mann . Viele Details aus dieser Schilderung sind wörtlich in den Roman übernommen worden (die Kinderstreiche, der Â»Hang zum Luxus«, die Anekdote mit der Specksuppe). Wie ihr literarisches Ebenbild war auch Elisabeth Mann zweimal verheiratet, zur ersten Ehe wurde sie ebenfalls von den Eltern gedrängt, auch dieser Ehemann machte Bankrott. Im Gegensatz zu Tony (oder eher, weil der Roman es erforderte), wiederholte sich Elisabeth Manns Schicksal auch in der zweiten Ehe: Nach Bankrott des Ehemanns wurde auch diese Ehe geschieden.

Elisabeth Mann war zuerst - laut Viktor Mann – ob der Indiskretion Â»indigniert«, begegnete ihrem Schicksal dann Â»mit Humor und schließlich mit Stolz«, daß die Familie sie nur noch Tony nannte.

Konsul Jean Buddenbrook

Konsul Johann Siegmund Mann II diente als Vorbild für Jean Buddenbrook. Er war der eigentliche Chronist der Familie Mann, schrieb das vom Großvater, dem ältesten Mann, geerbte Chronikheft in der erblichen Â»Biebel« der Familie ab und ergänzte sie durch eigene Â»Skitzen [sic!] aus dem Leben von Johann Siegmund Mann jr in Lübeck« (GKFA, Kommentarband Â»Buddenbrooks«, S. 571 ff.)

Johann Siegmund Mann II wurde nach und nach (»successive«) in verschiedene Ämter seiner Heimatstadt gewählt und hätte wahrscheinlich noch mehr politische Erfolge eingebracht, wenn nicht ein Konkurrent, Johann Fehling, ihm geschadet hätte. Die Familie Hagenström des Romans heißt in den ersten Entwürfen noch Fehling , Johann Fehlings Kinder hießen wirklich Julchen und Hermann.

Auch Joh. Siegmund Mann heiratete seine erste Frau Â»aus Liebe« (1825), im Jahr 1837 seine zweite Frau eher aus Gründen der Vernunft. Auch diese zweite Frau nannte ihren Mann Â»mein lieber Jean« und hatte den ihrer Familie eigenen Â»Hang zum Luxus« mit in die Ehe gebracht. Thomas Mann beschreibt sie als Â»sehr fromme Frau«, welche Â»viel mit Geistlichen und Missionaren verkehrte« (Th. Mann, Ãœber mich selbst.).

Thomas Buddenbrook

Bei der Gestaltung des Thomas Buddenbrook hatte Thomas Mann mehrere Vorbilder zu einer Person verwoben. Viktor Mann erkennt Thomas Johann Heinrich Mann, den Vater Thomas Manns, wieder, den letzten Chef der Firma Mann. Dieser war im Alter von 29 Jahren in die Lübecker Bürgerschaft gewählt worden, wurde später Finanzsenator seiner Heimatstadt. Nach seinem Tod wurde, entsprechend seinem Testament, die Firma Mann liquidiert.

Im Gegensatz zum Thomas Buddenbrook des Romans verblieb Johann Heinrich Mann zeit seines Lebens in seiner Rolle als Bürger und Kaufmann. Mit den Zweifeln, dem aufklaffenden Gegensatz zwischen bürgerlicher und künstlerischer Existenz, hat Thomas Mann eigene Wesenszüge eingefügt. Auch der Â»metaphysische Rausch« nach der Schopenhauer-Lektüre ist ein authentisches Erlebnis Thomas Manns.

Christian Buddenbrook

Friedrich Wilhelm Mann, in der Familie Â»Onkel Friedel« genannt, ist ein Vorbild für Christian Buddenbrook. Klaus Mann berichtete, Onkel Friedel sei Â»ein neurotischer Tunichtgut« gewesen, Â»der sich in der Welt herumtrieb und über eingebildete Krankheiten klagte«. Onkel Friedel hat sich am 28. Oktober 1913 gegen die seiner Meinung nach ehrabschneidende Karikatur in einer viel belachten Annonce in den Lübeckischen Anzeigen gewehrt:

»Wenn der Verfasser der ›Buddenbrooks‹ in karikierender Weise Seine allernächsten Verwandten in den Schmutz zieht und deren Lebensschicksale eklatant preisgibt, so wird jeder rechtdenkende Mensch finden, daß dieses verwerflich ist. Ein trauriger Vogel, der sein eigenes Nest beschmutzt!«.

Christian Buddenbrook ist mit der Person des schrulligen Onkels als Vorbild nicht ausgeschöpft. Viel subtiler entfaltet sich in der Auseinandersetzung der beiden Brüder Buddenbrook der Lebenskonflikt der Brüder Thomas und Heinrich Mann .

Buddenbrooks als zeitgeschichtliche Darstellung

Auch wenn der Roman primär nicht zu diesem Zweck geschrieben wurde, spiegelt er einige Aspekte der Zeitgeschichte anschaulich wieder. An zwei Themen wir dies besonders deutlich:

  • Handel und Geschäft: Die aufstrebende Familie Hagenström setzt sich mit rauhen Methoden gegen die 'vornehme' Familie Buddenbrook durch.
  • Schule: Aus der liberalen Schule mit dem Lehrer Marcus Stengl wird die preußische Schule mit dem furchterregenden Direktor Wulicke. Tucholsky hat dies als beste Beschreibung des preußischen Schulwesens bezeichnet.

In beiden Fällen sind die Buddenbrooks der neuen, rauhen Zeit nicht gewachsen.

Literatur

Textausgaben, kommentierte Ausgaben

  • Buddenbrooks. Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 1/1-2. S. Fischer, Frankfurt am Main 2002. ISBN 310048312X . Gut edierte Ausgabe, umfangreicher Kommentarband.

Sekundärliteratur

Vorbilder, Schlüsselroman

  • Mann, Thomas: Ãœber mich selbst. Fischer, Frankfurt, 1994. ISBN 3596123895
  • Mann, Viktor: Wir waren fünf. Fischer, Frankfurt, 2001, ISBN 3596122759

Zum Roman selbst

  • Ken Moulden und Gero von Wilpert (Hrsg.): Buddenbrooks-Handbuch. Stuttgart: Kröner, 1988
  • Koopmann, Helmut: Thomas Mann – Heinrich Mann. Die ungleichen Brüder. C.H. Beck, München 2005. ISBN 3406527302

Filme

  • 1923 - Stummfilm, Regie: Gerhard Lamprecht
  • 1959 - Regie: Alfred Weidenmann , mit Liselotte Pulver, Nadja Tiller , Hansjörg Felmy , Hanns Lothar , Lil Dagover und Werner Hinz
  • 1979 - Fernsehfilm, Regie: Hans-Peter Wirth , mit Volker Kraeft , Reinhild Solf und Marion Kracht , Ruth Leuwerik und Martin Benrath

Theater

2005 wurde der Roman erstmals für die Theaterbühne vom Dramaturgen und Schriftsteller John von Düffel dramatisiert. Die Uraufführung wurde am Thalia Theater von Stephan Kimmig inszeniert und hatte am 3. Dezember 2005 Premiere. 1 1/2 Jahre arbeitete von Düffel an der Bearbeitung.

Weblinks

Wikipedia

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