Juden in Wien
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Geschichte der jüdischen Gemeinde Wien
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Geschichte der Juden in Wien vor allem durch Ausgrenzung und fehlende Anerkennung gekennzeichnet. Zweimal wurden sie in diesem Zeitraum aus der Stadt vertrieben: das erste Mal 1420/21 durch Albrecht V. , das zweite Mal 1670/71 durch Leopold I. . Seit 1736 gab es hier eine kleine türkisch-jüdische Gemeinschaft sephardischer Herkunft, die schon unter Maria Theresia eine Religionsgemeinde besaß, was der überwältigenden aschkenasischen Mehrheit erst durch Franz Joseph gewährt wurde.
Unter dem Eindruck der Aufklärung erließ Kaiser Joseph II. sein Toleranzedikt , das den Weg zur Emanzipation der Juden eröffnete. Erstmals werden ihnen bestimmte bürgerliche Rechte zugestanden und diskriminierende Bestimmungen aufgehoben. Weiterhin verboten bleibt allerdings die Bildung einer Gemeinde und das öffentliche Abhalten von Gottesdiensten.
19. Jahrhundert
1824 wird auf Fürsprache von Michael Lazar Biedermann der Rabbiner Isaak Mannheimer von Kopenhagen nach Wien geholt. Da es offiziell keine Gemeinde gibt, wird er als "Direktor der Wiener kaiserlich-königlich genehmigten öffentlichen israelitischen Religionsschule" angestellt. Mannheimer setzt in Wien vorsichtig Reformen durch, ohne die Gemeinde zu spalten, wie das in den meisten jüdischen Gemeinden Europas des 19. Jahrhunderts der Fall ist.
Am 12. Dezember 1825 erfolgt durch Mannheimer die Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse 4, und am 9. April 1826 wird die Synagoge von ihm eingeweiht. Im selben Jahr wird Salomon Sulzer von Hohenems als Oberkantor an den neuen Stadttempel berufen und übt dieses Amt 56 Jahre lang aus.
Die bürgerliche Revolution von 1848 war für viele jüdische Intellektuelle der willkommene Anlass, sich im Rahmen der revolutionären Bewegung für die Emanzipation der Juden zu engagieren. 1867 wird durch das Staatsgrundgesetz den Juden erstmals in ihrer Geschichte in ganz Österreich der ungehinderte Aufenthalt und die Religionsausübung gestattet. Die Jüdische Gemeinde wuchs als Folge dieser Entwicklungen sehr rasch: Registrierte die Israelitische Kultusgemeinde Wien 1860 6.200 jüdische Einwohner, so waren es 1870 bereits 40.200 und zur Jahrhundertwende 147.000.
20. Jahrhundert
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen häufen sich nach einem Jahrhundert jüdischer Emanzipationsbemühungen die von Christlichsozialen , Deutschnationalen und Nationalsozialisten geschürten antisemitischen Ausschreitungen. Bereits am Tag nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich im März 1938 werden Juden schikaniert, man treibt sie durch Wien, plündert ihre Wohnungen und Geschäfte. Einen Höhepunkt erreichen diese Ausschreitungen in der " Reichspogromnacht " vom 9. auf den 10. November 1938: Alle Wiener Synagogen und Bethäuser werden vernichtet - einzig der Stadttempel wird nicht vollständig zerstört, da er sich in einem Wohnhaus befindet. Die meisten jüdischen Geschäfte werden geplündert und dann geschlossen, über 6.000 Juden werden in dieser Nacht verhaftet und zum Großteil in den folgenden Tagen ins KZ Dachau verschleppt. Die Nürnberger Gesetze haben ab Mai 1938 auch im besetzten Österreich Gültigkeit, verschärft durch zahllose antijüdische Verordnungen. Sie führen Schritt für Schritt zur vollständigen Beraubung der Freiheitsrechte, zur Ausschaltung aus nahezu allen Berufszweigen, zum Ausschluss von Schulen und Universitäten, zur sichtbaren Diskriminierung durch das erzwungene Tragen des Judensterns .
Die jüdischen Organisationen und Institutionen werden aufgelöst. Damit wollen die Nationalsozialisten die Juden zunächst zur Emigration zwingen - mit Erfolg. Unter Zurücklassung nahezu ihres gesamten Vermögens, gegebenenfalls mit finanzieller Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen gelingt bis Ende 1941 mehr als 130.000 Juden die Flucht, mehr als 30.000 emigrieren in die USA. Nach der Wannseekonferenz im Jänner 1942, bei der die vollständige Vernichtung der Juden beschlossen wird, fallen die meisten der noch in Wien verbliebenen Juden der Tötungsmaschinerie des NS-Regimes zum Opfer: Von den mehr als 65.000 Wiener Juden, die in Konzentrationslager gebracht worden waren, überlebten nur wenig über 2.000.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dauert es lange, ehe man sich in Österreich zu einer klaren Position über den Anteil der Schuld des Landes an den Greueln des Dritten Reichs durchdringen kann. Erst in den 80er Jahren setzt langsam ein Umdenken ein, das den historischen Faktizitäten Rechnung trägt und zur Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung im Juli 1991 führt, als Bundeskanzler Vranitzky vor dem Parlament erstmals ausdrücklich auf die Beteiligung von Österreichern an den Verbrechen des Dritten Reichs eingeht.
Zählte die Wiener Jüdische Gemeinde vor 1938 noch über 185.000 Mitglieder, so sind Ende der 1990er Jahre wenig mehr als 7.000 bei der Kultusgemeinde als Mitglieder registriert. Viele sind erst in den letzten Jahrzehnten als Flüchtlinge nach Wien gekommen und haben hier ein neues Leben begonnen.
Siehe auch
- Stadttempel
- Storchenschul
- Synagoge Turnergasse
- Synagoge Atzgersdorf
- Liste jüdischer Andachtstätten in Wien
Weblinks
- 150 Jahre IKG: Rede von Ariel Muzicant anlässlich des 150jährigen Bestehens der IKG Wien
- Das österreichische Judentum
Kategorien : Judentum lokal | Wien
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