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Letzte Änderung für Artikel 95 Thesen: 20.02.2006 09:15

95 Thesen

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Thesentür an der Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg
Thesentür an der Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg

Martin Luthers 95 Thesen wurden am 31. Oktober 1517 als Beifügung an einen Brief an den Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Albrecht von Brandenburg , das erste Mal in Umlauf gebracht. Aufgrund der ausbleibenden Stellungnahme Albrechts von Brandenburg gab Luther die Thesen an einige Bekannte weiter, die sie kurze Zeit später ohne sein Wissen veröffentlichten und sie so zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion im gesamten Reich machten.

Inhaltsverzeichnis

Ãœberlieferung

Der Thesenanschlag zu Wittenberg vom 31. Oktober 1517 ist erstmalig erwähnt durch Philipp Melanchthon . Da Melanchthon erst 1518 nach Wittenberg berufen wurde, ist es höchst unwahrscheinlich, dass er Augenzeuge des Ereignisses gewesen sein konnte, bei dem Martin Luther angeblich die weltberühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte, die sich nach üblicher Schilderung von dort aus lauffeuerartig in ganz Deutschland verbreiteten und somit den Beginn der Reformation bedeuteten. Der Absicht Luthers entsprach diese Wirkung nicht. Er war überrascht von der ungeheuren Wirkung eines Papiers, das als Disputationsgrundlage dienen sollte. Motiviert wurde Luther zur Abfassung seiner Thesen, nachdem er ein entsprechendes Instruktionspapier für die Ablasshändler gelesen hatte.

Darstellung des Thesenanschlags in der Speyrer Gedächtniskirche
Darstellung des Thesenanschlags in der Speyrer Gedächtniskirche

Bedeutung


Dieses Ereignis war eines der bedeutendsten in der Frühen Neuzeit mit einer unvorhersehbaren Langzeitwirkung.

Seit dem Frühjahr 1517 erlebte Luther immer häufiger, daß die Wittenberger der Beichte fernblieben, und stattdessen in die auf brandenburgischem bzw. anhaltinischem Gebiet liegenden Städte Jüterbog und Zerbst gegangen sind, um sich von ihren Sündenstrafen und den Sünden selbst durch den Erwerb von Ablasszetteln freizukaufen. Tatsächlich war der Missbrauch des Ablasses einer der wesentlichen Kritikpunkte Luthers. Die Hälfte der Einnahmen des Ablasshandels diente dem Bau des Petersdoms in Rom, während die andere sich der Erzbischof Albrecht (Brandenburg) und der Ablassprediger teilten. Der Bischof benötigte zudem die Einkünfte, um seine gegenüber den Fuggern aufgelaufenen Schulden abzuzahlen. Mithin war das ein Angriff auf das gesamte päpstliche Finanzsystem.

Die am 31. Oktober 1517 als Antwort auf die Ablasspredigt Johann Tetzels am veröffentlichten Thesen hatten einen eminenten Schub für nahezu alle gesellschaftliche, kulturelle und politische Strukturen, die Luther selbst kaum ahnte. Diese Wirkung resultiert wohl daher, weil die Reformbedürftigkeit der Kirche und damit der Kirchenverfassung längst offensichtlich war. Die Veröffentlichung seiner Thesen waren der Funke einer Bewegung für eine Reformation , die nur deshalb sich entfalten konnte, weil die Voraussetzungen hierfür bereits gegeben waren. Was als Diskussionsanfang unter fachkundigen Theologen gedacht war, verselbständigte sich und wurde immer wieder als Handzettel nachgedruckt. Statt zur Diskussion kommt es erst zum Ketzerprozeß 1518, dann zum Kirchenbann .

Die Wirkung seiner Gedanken hält indes bis heute an. Die Thesen sind nichts anderes als die Formulierung einer Kritik an den bestebenden Zuständen auf der Grundlage der Bibel. Darin gründet sich ihre Wirkung. Den Ablasshandel erklärt Luther in den Thesen für Menschenwerk, weil in der Bibel ein römisch-katholisches Konzept für denselben nicht erklärt ist. Auch der Papst wird von der Kritik nicht ausgenommen. Diese Thesen sind gleichzeitig der öffentliche Beginn einer Kritik Luthers an der Institution des Papstes – ein geistiger Sprengsatz, der in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erst seine volle Kraft entfalten sollte und zur Trennung innerhalb der abendländischen Kirche führen sollte. Zunächst lässt Luther den Ablass noch gelten für Strafen, die von der Kirche auferlegt wurden, seine Kritik richtet sich vor allem gegen die falsche Heilssicherheit, die sich aus einer falschen Handhabung des Ablasses ergab.

Seine Kritik findet sicher nicht Freunde in der Katholischen Kirche . Allerdings sein Landesherr, Friedrich III. (Sachsen) unterstützt Luther mit dieser Haltung, weil er auch den Abfluss dieser Gelder nicht zuletzt aus seinem eigenen Territorium in Richtung Rom mit Argwohn betrachtet.

Frage nach der Authentitität des Ereignisses

Die Authentizität des Ereignisses als solches ist umstritten. Dass es zumindest ein solches Thesenpapier gibt, ist hingegen zweifelsfrei. Ein solches erging an den Erzbischof Albrecht von Mainz, der zugleich Erzbischof von Magdeburg war, das Bistum in dem Wittenberg lag, sowie an weitere geistliche Würdenträger des Reiches, als Reaktion auf dessen Instruktionen für den Ablassverkäufer Johannes Tetzel , ohne dass sich hieraus Reaktionen von seiner Seite her ergaben. Zumindest dürfte dieses Papier in einer größeren Anzahl gedruckt worden sein. Ohne dessen Einverständnis wäre eine solche öffentliche Disputation als schwere Provokation aufgefasst worden. Es ist unwahrscheinlich, dass Luther dieses beabsichtigte oder zumindest sich nicht über eine solche mögliche Konsequenz im klaren gewesen wäre.

Das Ereignis selbst wird seit 1961 von Erwin Iserloh in Frage gestellt, der den Thesenanschlag als solchen bestritt. Für die Authentizität des Wittenberger Ereignisses sprach sich der Kirchenhistoriker Heinrich Bornkamm aus, der meinte, dass es damals neben dem Schreiben an den Erzbischof in akademischen Disputationen durchaus den üblichen Gepflogenheiten entsprochen habe, in Wittenberg die Thesen öffentlich anzuschlagen. Auch der Kirchenhistoriker Kurt Aland aus einer jüngeren Generation als Iserloh und Bornkamm stimmte für die Authentizität dieses Ereignisses.

Dies ist durchaus denkbar, weil die Schlosskirche zugleich auch die Wittenberger Universitätskirche war. Endgültig geklärt ist diese Streitfrage, ob der Thesenanschlag Wahrheit oder Legende ist, bis heute nicht. Es ist nicht so, dass lediglich wie Iserloh die katholische Kirchengeschichtsschreibung die Authentizität des Thesenanschlages anzweifelt. Auch seitens der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung beharrt man nicht unbedingt auf dem Beibehalten dieses Diktums . Heute tendiert man generell dazu zu sagen, dass der Thesenanschlag nicht stattgefunden habe, ohne allerdings einstimmig die Authentizität zu verwerfen. Bis zu Luthers Tod im Jahre 1546 ist hiervon nie offiziell die Rede. Melanchthon spricht davon in einem Abstand von nahezu zwanzig Jahren. Es mögen dabei auch Glorifizierungsabsichten eine Rolle gespielt haben. Eine gewisse Form von Glorifizierung stellt indes das Portal der Schlosskirche, an dem der Thesentext auf das gusseiserne Portal gebracht wurde, dar.

Gerhard Prause (1966) fasst in seinem Buch "Niemand hat Kolumbus ausgelacht - Fälschungen und Lügen der Geschichte richtig gestellt" die Geschichte der 95 Thesen - ihm zufolge waren es zunächst nur 93 - im Kapitel 3 zusammen und versucht eine eigene Interpretation. Demnach gehe der Mythos vom Anschlag der 95 Thesen auf einen Lesefehler des einzigen Zeitzeugen Johann Schneiders aus Eisleben, genannt Agricola , zurück. Man las "me teste" (wie ich bezeugen kann) statt, wie sich später herausstellte "modeste" (in bescheidener Weise). Prause (S. 76): "Jahrhunderte lang war die Forschung also einem ganz simplen Lesefehler erlegen. Die Stelle in jener Wittenberger Handschrift, die man so lange für einen Augenzeugenbericht gehalten hatte, heißt richtig: 'Im Jahre 1517 legte Luther in Wittenberg an der Elbe nach altem Universitätsbrauch gewisse Sätze zur Disputation vor, jedoch in bescheidener Weise und damit ohne jemand beschimpft oder beleidigt haben zu wollen'".

Die 95 Thesen

Das Original des Textes wurde auf Latein verfasst. Eine lateinische Version findet sich bei Wikisource.


Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden. Deshalb bittet er die, die nicht anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen.

  1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
  2. Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament - d. h. von der Beichte und Genugtuung -, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.
  3. Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.
  4. Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.
  5. Der Papst will und kann keine Strafen erlassen, außer solchen, die er auf Grund seiner eigenen Entscheidung oder der der kirchlichen Satzungen auferlegt hat.
  6. Der Papst kann eine Schuld nur dadurch erlassen, dass er sie als von Gott erlassen erklärt und bezeugt, natürlich kann er sie in den ihm vorbehaltenen Fällen erlassen; wollte man das gering achten, bliebe die Schuld ganz und gar bestehen.
  7. Gott erlässt überhaupt keinem die Schuld, ohne ihn zugleich demütig in allem dem Priester, seinem Stellvertreter, zu unterwerfen.
  8. Die kirchlichen Bestimmungen über die Buße sind nur für die Lebenden verbindlich, den Sterbenden darf demgemäß nichts auferlegt werden.
  9. Daher handelt der Heilige Geist, der durch den Papst wirkt, uns gegenüber gut, wenn er in seinen Erlassen immer den Fall des Todes und der höchsten Not ausnimmt.
  10. Unwissend und schlecht handeln diejenigen Priester, die den Sterbenden kirchliche Bußen für das Fegefeuer aufsparen.
  11. Die Meinung, dass eine kirchliche Bußstrafe in eine Fegefeuerstrafe umgewandelt werden könne, ist ein Unkraut, das offenbar gesät worden ist, während die Bischöfe schliefen.
  12. Früher wurden die kirchlichen Bußstrafen nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, gleichsam als Prüfstein für die Aufrichtigkeit der Reue.
  13. Die Sterbenden werden durch den Tod von allem gelöst, und für die kirchlichen Satzungen sind sie schon tot, weil sie von Rechts wegen davon befreit sind.
  14. Ist die Haltung eines Sterbenden und die Liebe (Gott gegenüber) unvollkommen, so bringt ihm das notwendig große Furcht, und diese ist umso größer, je geringer jene ist.
  15. Diese Furcht und dieser Schrecken genügen für sich allein - um von anderem zu schweigen -, die Pein des Fegefeuers auszumachen; denn sie kommen dem Grauen der Verzweiflung ganz nahe.
  16. Es scheinen sich demnach Hölle, Fegefeuer und Himmel in der gleichen Weise zu unterscheiden wie Verzweiflung, annähernde Verzweiflung und Sicherheit.
  17. Offenbar haben die Seelen im Fegefeuer die Mehrung der Liebe genauso nötig wie eine Minderung des Grauens.
  18. Offenbar ist es auch weder durch Vernunft- noch Schriftgründe erwiesen, dass sie sich außerhalb des Zustandes befinden, in dem sie Verdienste erwerben können oder in dem die Liebe zunehmen kann.
  19. Offenbar ist auch dieses nicht erwiesen, dass sie - wenigstens nicht alle - ihrer Seligkeit sicher und gewiss sind, wenngleich wir ihrer völlig sicher sind.
  20. Daher meint der Papst mit dem vollkommenen Erlass aller Strafen nicht einfach den Erlass sämtlicher Strafen, sondern nur derjenigen, die er selbst auferlegt hat.
  21. Deshalb irren jene Ablassprediger, die sagen, dass durch die Ablässe des Papstes der Mensch von jeder Strafe frei und loswerde.
  22. Vielmehr erlässt er den Seelen im Fegefeuer keine einzige Strafe, die sie nach den kirchlichen Satzungen in diesem Leben hätten abbüßen müssen.
  23. Wenn überhaupt irgendwem irgendein Erlass aller Strafen gewährt werden kann, dann gewiss allein den Vollkommensten, das heißt aber, ganz wenigen.
  24. Deswegen wird zwangsläufig ein Großteil des Volkes durch jenes in Bausch und Bogen und großsprecherisch gegebene Versprechen des Straferlasses getäuscht.
  25. Die gleiche Macht, die der Papst bezüglich des Fegefeuers im allgemeinen hat, besitzt jeder Bischof und jeder Seelsorger in seinem Bistum bzw. seinem Pfarrbezirk im besonderen.
  26. Der Papst handelt sehr richtig, den Seelen (im Fegefeuer) die Vergebung nicht auf Grund seiner - ihm dafür nicht zur Verfügung stehenden - Schlüsselgewalt, sondern auf dem Wege der Fürbitte zuzuwenden.
  27. Menschenlehre verkündigen die, die sagen, dass die Seele (aus dem Fegefeuer) empor fliege, sobald das Geld im Kasten klingt.
  28. Gewiss, sobald das Geld im Kasten klingt, können Gewinn und Habgier wachsen, aber die Fürbitte der Kirche steht allein auf dem Willen Gottes.
  29. Wer weiß denn, ob alle Seelen im Fegefeuer losgekauft werden wollen, wie es beispielsweise beim heiligen Severin und Paschalis nicht der Fall gewesen sein soll.
  30. Keiner ist der Echtheit seiner Reue gewiss, viel weniger, ob er völligen Erlass (der Sündenstrafe) erlangt hat.
  31. So selten einer in rechter Weise Buße tut, so selten kauft einer in der rechten Weise Ablass, nämlich außerordentlich selten.
  32. Wer glaubt, durch einen Ablassbrief seines Heils gewiss sein zu können, wird auf ewig mit seinen Lehrmeistern verdammt werden.
  33. Nicht genug kann man sich vor denen hüten, die den Ablass des Papstes jene unschätzbare Gabe Gottes nennen, durch die der Mensch mit Gott versöhnt werde.
  34. Jene Ablassgnaden beziehen sich nämlich nur auf die von Menschen festgesetzten Strafen der sakramentalen Genugtuung.
  35. Nicht christlich predigen die, die lehren, dass für die, die Seelen (aus dem Fegefeuer) loskaufen oder Beichtbriefe erwerben, Reue nicht nötig sei.
  36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlass von Strafe und Schuld, auch ohne Ablassbrief.
  37. Jeder wahre Christ, sei er lebendig oder tot, hat Anteil an allen Gütern Christi und der Kirche, von Gott ihm auch ohne Ablassbrief gegeben.
  38. Doch dürfen der Erlass und der Anteil (an den genannten Gütern), die der Papst vermittelt, keineswegs gering geachtet werden, weil sie - wie ich schon sagte - die Erklärung der göttlichen Vergebung darstellen.
  39. Auch den gelehrtesten Theologen dürfte es sehr schwer fallen, vor dem Volk zugleich die Fülle der Ablässe und die Aufrichtigkeit der Reue zu rühmen.
  40. Aufrichtige Reue begehrt und liebt die Strafe. Die Fülle der Ablässe aber macht gleichgültig und lehrt sie hassen, wenigstens legt sie das nahe.
  41. Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablass gepredigt werden, damit das Volk nicht fälschlicherweise meint, er sei anderen guten Werken der Liebe vorzuziehen.
  42. Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, dass der Erwerb von Ablass in irgendeiner Weise mit Werken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei.
  43. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen.
  44. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit.
  45. Man soll die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht, ihn übergeht und statt dessen für den Ablass gibt, kauft nicht den Ablass des Papstes, sondern handelt sich den Zorn Gottes ein.
  46. Man soll die Christen lehren: Die, die nicht im Überfluss leben, sollen das Lebensnotwendige für ihr Hauswesen behalten und keinesfalls für den Ablass verschwenden.
  47. Man soll die Christen lehren: Der Kauf von Ablass ist eine freiwillige Angelegenheit, nicht geboten.
  48. Man soll die Christen lehren: Der Papst hat bei der Erteilung von Ablass ein für ihn dargebrachtes Gebet nötiger und wünscht es deshalb auch mehr als zur Verfügung gestelltes Geld.
  49. Man soll die Christen lehren: Der Ablass des Papstes ist nützlich, wenn man nicht sein Vertrauen darauf setzt, aber sehr schädlich, falls man darüber die Furcht Gottes fahrenlässt.
  50. Man soll die Christen lehren: Wenn der Papst die Erpressungsmethoden der Ablassprediger wüsste, sähe er lieber die Peterskirche in Asche sinken, als dass sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbaut würde.
  51. Man soll die Christen lehren: Der Papst wäre, wie es seine Pflicht ist, bereit - wenn nötig -, die Peterskirche zu verkaufen, um von seinem Gelde einem großen Teil jener zu geben, denen gewisse Ablassprediger das Geld aus der Tasche holen.
  52. Auf Grund eines Ablassbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablass-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.
  53. Die anordnen, dass um der Ablasspredigt willen das Wort Gottes in den umliegenden Kirchen völlig zum Schweigen komme, sind Feinde Christi und des Papstes.
  54. Dem Wort Gottes geschieht Unrecht, wenn in ein und derselben Predigt auf den Ablass die gleiche oder längere Zeit verwendet wird als für jenes.
  55. Die Meinung des Papstes ist unbedingt die: Wenn der Ablass - als das Geringste - mit einer Glocke, einer Prozession und einem Gottesdienst gefeiert wird, sollte das Evangelium - als das Höchste - mit hundert Glocken, hundert Prozessionen und hundert Gottesdiensten gepredigt werden.
  56. Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablass austeilt, ist bei dem Volke Christi weder genügend genannt noch bekannt.
  57. Offenbar besteht er nicht in zeitlichen Gütern, denn die würden viele von den Predigern nicht so leicht mit vollen Händen austeilen, sondern bloß sammeln.
  58. Er besteht aber auch nicht aus den Verdiensten Christi und der Heiligen, weil diese dauernd ohne den Papst Gnade für den inwendigen Menschen sowie Kreuz, Tod und Hölle für den äußeren bewirken.
  59. Der heilige Laurentius hat gesagt, dass der Schatz der Kirche ihre Armen seien, aber die Verwendung dieses Begriffes entsprach der Auffassung seiner Zeit.
  60. Wohlbegründet sagen wir, dass die Schlüssel der Kirche - die ihr durch das Verdienst Christi geschenkt sind - jenen Schatz darstellen.
  61. Selbstverständlich genügt die Gewalt des Papstes allein zum Erlass von Strafen und zur Vergebung in besondern, ihm vorbehaltenen Fällen.
  62. Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
  63. Dieser ist zu Recht allgemein verhasst, weil er aus Ersten Letzte macht.
  64. Der Schatz des Ablasses jedoch ist zu Recht außerordentlich beliebt, weil er aus Letzten Erste macht.
  65. Also ist der Schatz des Evangeliums das Netz, mit dem man einst die Besitzer von Reichtum fing.
  66. Der Schatz des Ablasses ist das Netz, mit dem man jetzt den Reichtum von Besitzenden fängt.
  67. Der Ablass, den die Ablassprediger lautstark als außerordentliche Gnaden anpreisen, kann tatsächlich dafür gelten, was das gute Geschäft anbelangt.
  68. Doch sind sie, verglichen mit der Gnade Gottes und der Verehrung des Kreuzes, in der Tat ganz geringfügig.
  69. Die Bischöfe und Pfarrer sind gehalten, die Kommissare des apostolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.
  70. Aber noch mehr sind sie gehalten, Augen und Ohren anzustrengen, dass jene nicht anstelle des päpstlichen Auftrags ihre eigenen Phantastereien predigen.
  71. Wer gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses spricht, der sei verworfen und verflucht.
  72. Aber wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ablassprediger auftritt, der sei gesegnet.
  73. Wie der Papst zu Recht seinen Bannstrahl gegen diejenigen schleudert, die hinsichtlich des Ablassgeschäftes auf mannigfache Weise Betrug ersinnen.
  74. So will er viel mehr den Bannstrahl gegen diejenigen schleudern, die unter dem Vorwand des Ablasses auf Betrug hinsichtlich der heiligen Liebe und Wahrheit sinnen.
  75. Es ist irrsinnig zu meinen, dass der päpstliche Ablass mächtig genug sei, einen Menschen loszusprechen, auch wenn er - was ja unmöglich ist - der Gottesgebärerin Gewalt angetan hätte.
  76. Wir behaupten dagegen, dass der päpstliche Ablass auch nicht die geringste lässliche Sünde wegnehmen kann, was deren Schuld betrifft.
  77. Wenn es heißt, auch der heilige Petrus könnte, wenn er jetzt Papst wäre, keine größeren Gnaden austeilen, so ist das eine Lästerung des heiligen Petrus und des Papstes.
  78. Wir behaupten dagegen, dass dieser wie jeder beliebige Papst größere hat, nämlich das Evangelium, "Geisteskräfte und Gaben, gesund zu machen" usw., wie es 1. Kor. 12 heißt.
  79. Es ist Gotteslästerung zu sagen, dass das (in den Kirchen) an hervorragender Stelle errichtete (Ablass-) Kreuz, das mit dem päpstlichen Wappen versehen ist, dem Kreuz Christi gleichkäme.
  80. Bischöfe, Pfarrer und Theologen, die dulden, dass man dem Volk solche Predigt bietet, werden dafür Rechenschaft ablegen müssen.
  81. Diese freche Ablasspredigt macht es auch gelehrten Männern nicht leicht, das Ansehen des Papstes vor böswilliger Kritik oder sogar vor spitzfindigen Fragen der Laien zu schützen.
  82. Zum Beispiel: Warum räumt der Papst nicht das Fegefeuer aus um der heiligsten Liebe und höchsten Not der Seelen willen - als aus einem wirklich triftigen Grund -, da er doch unzählige Seelen loskauft um des unheilvollen Geldes zum Bau einer Kirche willen - als aus einem sehr fadenscheinigen Grund -?
  83. Oder: Warum bleiben die Totenmessen sowie Jahrfeiern für die Verstorbenen bestehen, und warum gibt er (der Papst) nicht die Stiftungen, die dafür gemacht worden sind, zurück oder gestattet ihre Rückgabe, wenn es schon ein Unrecht ist, für die Losgekauften zu beten?
  84. Oder: Was ist das für eine neue Frömmigkeit vor Gott und dem Papst, dass sie einem Gottlosen und Feinde erlauben, für sein Geld eine fromme und von Gott geliebte Seele loszukaufen; doch um der eigenen Not dieser frommen und geliebten Seele willen erlösen sie diese nicht aus freigeschenkter Liebe?
  85. Oder: Warum werden die kirchlichen Bußsatzungen, die "tatsächlich und durch Nichtgebrauch" an sich längst abgeschafft und tot sind, doch noch immer durch die Gewährung von Ablass mit Geld abgelöst, als wären sie höchst lebendig?
  86. Oder: Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?
  87. Oder: Was erlässt der Papst oder woran gibt er denen Anteil, die durch vollkommene Reue ein Anrecht haben auf völligen Erlass und völlige Teilhabe?
  88. Oder: Was könnte der Kirche Besseres geschehen, als wenn der Papst, wie er es (jetzt) einmal tut, hundertmal am Tage jedem Gläubigen diesen Erlass und diese Teilhabe zukommen ließe?
  89. Wieso sucht der Papst durch den Ablass das Heil der Seelen mehr als das Geld; warum hebt er früher gewährte Briefe und Ablässe jetzt auf, die doch ebenso wirksam sind?
  90. Diese äußerst peinlichen Einwände der Laien nur mit Gewalt zu unterdrücken und nicht durch vernünftige Gegenargumente zu beseitigen heißt, die Kirche und den Papst dem Gelächter der Feinde auszusetzen und die Christenheit unglücklich zu machen.
  91. Wenn daher der Ablass dem Geiste und der Auffassung des Papstes gemäß gepredigt würde, lösten sich diese (Einwände) alle ohne weiteres auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht.
  92. Darum weg mit allen jenen Propheten, die den Christen predigen: "Friede, Friede", und ist doch kein Friede.
  93. Wohl möge es gehen allen den Propheten, die den Christen predigen: "Kreuz, Kreuz", und ist doch kein Kreuz.
  94. Man soll die Christen ermutigen, dass sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten
  95. und dass die lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Himmelreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen.

Literatur

  • Kurt Aland: Titel: Die Reformatoren : Luther, Melanchthon, Zwingli, Calvin ; mit einem Nachwort zur Reformationsgeschichte, 4. neubarb. Aufl., Gütersloh 1986.
  • Heinrich Bornkamm: Thesen und Thesenschlag Luthers : Geschehen und Bedeutung, Berlin 1967.
  • Erwin Iserloh: Luther zwischen Reform und Reformation : der Thesenanschlag fand nicht statt, 3., verb. und um das 8. Kap. erw. Aufl., Münster (Westf.) 1968.
  • Prause, Gerhard (1966). Luthers Thesenanschlag ist eine Legende. In: Niemand hat Kolumbus ausgelacht - Fälschungen und Lügen der Geschichte richtig gestellt, Düsseldorf 1966, 75-88. .
  • Manfred Schulze, Art. Thesenanschlag, in: Religion in Geschichte und Gegenwart , 4., völlig neu bearb. Aufl., 357f., 2005. - ISBN 3-16-146948-8

Weblinks

Wikisource: Deutsche Übersetzung der Thesen auf Wikisource – Quellentexte

Wikipedia

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