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Letzte Änderung für Artikel Wohlgroth (Hausbesetzung): 14.02.2006 16:03

Wohlgroth (Hausbesetzung)

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Zur Besetzung des Wohlgroth-Areals wurde Pfingsten 1991 mittels Flugzetteln mit der Aufschrift "Vage die Sau sich lümmelt" aufgerufen. Etwa 50 Leute leisteten diesem Aufruf Folge, und besetzten die seit 1989 verlassene Gaszählerfabrik der Wohlgroth AG an der Josef- und Klingenstraße in Zürich. Es wurde zur größten Hausbesetzung, die es in der Schweiz je gegeben hatte.

Inhaltsverzeichnis

Das Grundstück

Baurechtlich wurde 1989 das gesamte Grundstück der Bührle Immobilien AG überlassen. Bührle plante auf dem gut gelegenen Grundstück am Zürcher Hauptbahnhof einen riesigen Büro- und Wohnkomplex. Allerdings war neben der damals neu gegründeten IG Kreis 5, einer Interessensvertretung der Einwohner des Stadtkreises, auch die Stadt Zürich selbst gegen eine Neuüberbauung des Areals, aufgrund des Wohnerhaltungsgesetzes, weshalb sie die Abbruchbewilligung vorerst nicht erteilte.

Die Besetzung

Am 18. Mai 1991 begann die zweieinhalbjährige Besetzung des Areals. Zu allererst wurde damit begonnen, die gründlich unbewohnbar gemachten Gebäude auf dem Areal zu putzen und die zugeschweißten oder zugemauerten Fenster der Fabrikhallen und der zwei Wohnhäuser zu öffnen, um Licht in das Dunkel zu lassen. Bereits am ersten Abend gab es "Volxküche" und ein Konzert, wodurch viele Neugierige angezogen wurden. Die Stimmung war euphorisch, denn man hatte endlich gefunden wonach man schon so lange suchte. Die Fabrikhallen boten sich ideal als Kulturzentrum an, und überhaupt bot das Gelände genügend Raum für eine Fülle von Ideen und Möglichkeiten. Aufgrund der laufenden Rekursverfahren gegen einen Abbruch der Gebäude konnten sich die BesetzerInnen vor einer schnellen Räumung relativ sicher fühlen und sich so nach Innen konzentrieren. Andererseits waren sich alle bewusst, dass die Besetzung zeitlich begrenzt sein würde.

Organisation

Die einzelnen Wohnhäuser organisierten sich selbstständig, aber für das ganze Areal gab es immer wieder Vollversammlungen an denen Konflikte und Reibungen, Planungen und Vorhaben, sowie Veranstaltungen besprochen und basisdemokratisch angegangen wurden. Denn Chef gab es keinen. Auch arbeiteten im Kulturbetrieb viele, die nicht in der Wohlgroth wohnten, und viele die in der Wohlgroth wohnten, arbeiteten nicht im Kulturbetrieb mit. Auch so entstanden Reibereien. Einzig an der Volxküche und an der Nachtwache sollte jeder teilnehmen. Wenn jemand etwas wichtiges besprechen wollte, das alle anging, wurde mit Plakaten eine Vollversammlung einberufen. Auch die Aktionsgruppen trafen sich regelmäßig. Sie schrieben ihre Sitzungen jeweils an den großen Kalender im Hof. Dieser Kalender diente als Hauptinformationspunkt, denn an diesem wurde alles was in der Wohlgroth anstand rechtzeitig angekündigt. Er sollte auch Außenstehenden zur Information dienen, um an Sitzungen teilnehmen zu können. Veranstaltungen wurden ohnehin mittels Plakaten und Flugblättern angekündigt.

Aktionismus und Gestaltung

  • Gut sichtbar für die Ankömmlinge am Bahnhof Zürich hängte ein Plakat im offiziellen SBB -Bahnhofsschild-Design auf welchem nebst dem SBB-Logo statt "ZÃœRICH" groß "ZUREICH" geschrieben stand.

Einrichtungen und Gebäude

Vorerst gab es zwei Wohngebäude, in denen bis Oktober 1992 etwa 30 Leute wohnten. Dann kam das frei gewordene Haus an der Josefstrasse 31 dazu und wurde mittels einer Brücke mit dem übrigen Areal verbunden. Im Dezember 1992 folgte die Josefstraße 39 und im Frühsommer 1993 wurden die restlichen 4 Wohnhäuser (Yussuf, Yussip, Yussif und Fleischkäse) des Areals frei und wurden besetzt. Zuletzt wohnten über 100 Leute auf dem Areal.

FixerInnenraum, später Infocafé, Videoraum und Nähatelier

Da zu dieser Zeit eine katastrophale Situation in der Zürcher Drogenszene vorherrschte, wurde anfangs ein rund um die Uhr betreuter FixerInnenraum auf dem Gelände eingerichtet, um den " Junkies " Ruhe zu gönnen. Nach der Schließung durch die BesetzerInnen selbst, aufgrund von Überforderung und da dies ja auch nicht ihre Aufgabe war, wurde ein Infocafé aus dem Raum, wo es Zeitschriften gab, wo man sich traf, und wo Sitzungen abgehalten wurden. Später beanspruchte die Videogruppe ("Red Fox Underground") diesen Raum, und schlussendlich wurde ein Nähatelier eingerichtet.

Notschlafstelle, später Frauenhaus

Frauen funktionierten das kleinere der beiden Wohnhäuser in eine experimentelle Notschlafstelle um. Aber auch diese existierte nicht zulange, da die Anforderungen an die BetreuerInnen auf die Dauer zu anstrengend waren, und auch dieses Service eigentlich in die Zuständigkeit der Stadt fällt.

Läsothek

In einem der Fabriktrakte wurde bereits von Anfang an eine "Läsothek" eingerichtet, welche innerhalb kürzester Zeit über 1.000 mitgebrachte Bücher beisammen hatte. Man konnte sie ausleihen oder gleich dort lesen.

Volxküche

Bereits vom ersten Tag an gab es hier jeden Abend Essen für 5 Franken.

Kino

Die Videogruppe "Red Fox Underground" errichtete bald ein eigenes Kino, in welchem regelmäßig Filme gezeigt wurden, die jemanden interessierten und dieser daher mitbrachte. Immer wenn ein Film gezeigt wurde, wurde dieser vorher auf einer Tafel im Hof angekündigt.

Bar

Die Bar war die wichtigste Einkommensquelle am Areal. An Wochenenden waren oft Hunderte Gäste anwesend. Das Geld, was an der Bar verdient wurde, floss ins ganze Areal und finanzierte die unterschiedlichsten Vorhaben und Einrichtungen am Areal.

Konzertsaal

Durchschnittlich drei Mal in der Woche gab es hier Konzerte, insgesamt mehrere Hundert. Der Saal wurde schnell zu einem Geheimtipp in der Musikszene und es spielten Bands aus Übersee und ganz Europa. Viele Zürcher Bands spielten dort ihre ersten Auftritte, oder nutzten das neue Angebot.

Jazzkeller

Einigen wurde die im Konzertsaal angebotene Musik zu eintönig und gründeten daraufhin den Jazzkeller. Im Frühling 1993 wurde dort erstmals auch ein Tangokurs durchgeführt. Seither gab es jeden Sonntagabend eine TangoBar mit Tangokurs.

Sonstige Räume

  • Disko

Dieser Raum befand sich direkt unter dem Konzertsaal.

  • Bewegungsraum

Vor allem Skater beanspruchten diesen Raum für sich.

  • Stiller Bewegungsraum

Hier wurde Kampfsport ausgeübt.

Des weiteren gab es verschiedene Werkstätten, darunter auch eine für Fahrräder. Es gab einen Billard- und einen Tischfußballtisch, eine Bierbrauerei ("Böhrlimaa"-Bier) und einige weitere unterschiedlich genutzte Räume.

Die letzten Monate

In den Sommermonaten 1993 war das Rechtsverfahren abgeschlossen und mit einer Räumung war langsam zu rechnen. Dieser Druck von Außen erzeugte einen letzten Aufschwung in der Wohlgroth. Um an die Öffentlichkeit zu gelangen, um Druck auf die Stadt und Bührle zu machen, und um aufmerksam zu machen, dass Zürich ein Kulturzentrum wie die Wohlgroth brauche, wurde die Mediengruppe wiedergegründet. Auch die Fassaden an der Klingen- und der Josefstraße wurden neu gestaltet, und eine Fotogalerie wurde eröffnet.

Die Medien stürzten sich auf die größte Besetzung die es in der Schweiz je gegeben hatte, denn sie rochen schon das Ende und den Krawall danach. Im Wohlwollen über die autonome Kultur versuchten manche Medien die Wohlgroth gar in die Reihe der Zürcher Kulturinstitute einzuordnen. In dieser Zeit organisierten die BesetzerInnen Demonstrationen, Umzüge und Aktionen um in der Stadt präsent zu sein und auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Gleichzeitig machte man sich Gedanken wie eine Räumung von statten gehen sollte. Es gab viele Ideen: von der Massenbesetzung mit der Solidarität der Tausenden, die schon in der Wohlgroth gewesen waren, bis hin zur militanten Verteidigung des Geländes. Keine war überzeugend, und was schließlich blieb, war das traurige Ende. Es wurden Barrikaden gebaut, aber niemand überlegte sich ernsthaft, dahinter zu stehen. Von vielen war die Wohlgroth schon aufgegeben worden, das Ende war in Sicht. Und trotzdem hätte es noch so viel zu verwirklichen gegeben, das Experiment war noch lange nicht abgebrochen.

Das Angebot zum Umzug nach Seebach von Stadträtin Ursula Koch und Bührle-Direktor Hans Widmer in letzter Minute war für die BesetzerInnen nicht annehmbar. Dort hätte es keinen Wohnraum gegeben, und das Leben mitten in der Stadt, im Kreis 5, hätte auch aufgegeben werden müssen. Ganz abgesehen von den zweieinhalb Jahren Arbeit, Kunst und Gestaltung die in den Gebäuden der Wohlgroth steckten.

Am 23. September war es dann soweit. Der für viele wichtige Treffpunkt, Wohn- und Lebensraum wurde mit Helikopterunterstützung und Wasserwerfern gewaltsam geräumt. Die BesetzerInnen sahen dem Abriss der bemalten Gebäude, die so viel Geschichte hatten, ohnmächtig zu.

Siehe auch

  • Anarchismus

Weblinks

Wikipedia

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