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Letzte Änderung für Artikel Oper am Gänsemarkt: 28.01.2006 21:42

Oper am Gänsemarkt

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Oper am Gänsemarkt, Ausschnitt aus der Stadtansicht Paul Heineckens 1726
Oper am Gänsemarkt, Ausschnitt aus der Stadtansicht Paul Heineckens 1726

Hamburgs Oper am Gänsemarkt war von 1678 bis 1738 das der wichtigste bürgerlich-städische Theater im deutschen Sprachraum. Die Einweihung des Hauses fand am 2. Januar 1678 statt. Mit 2.000 Plätzen übertraf es alle vergleichbaren. 1765 wurde das baufällige Haus abgerissen und an seinem Platz das Deutsche Nationaltheater errichtet, an dem am 22. April 1767 Lessing für drei Jahre die dramaturgische Leitung übernahm.

Mit dem Namen des Hauses verbinden sich wichtige Komponisten des deutschen Sprachraums: Reinhard Keiser , Georg Friedrich Händel , Christoph Graupner und Georg Philipp Telemann sowie die Namen einer Reihe von Autoren, die im frühen 18. Jahrhundert als Opern-Poeten berühmt wurden - unter anderem: Christian Heinrich Postel , Christian Friedrich Hunold , Barthold Feind .

Chronologie

Die Gründung der Hamburger Oper ging auf bürgerliche Initiative des Anwalts und Ratsherrn Gerhard Schott zurück, der von Italiens Oper beeindruckt war. Die Eröfnung fand am 2. Januar 1678 mit der geistlichen Oper Adam und Eva statt.

1697 übernahm Reinhard Keiser die Kapellmeisterstelle, von 1703 bis 1707 hatte er zudem das Direktorat inne. Man spielte an zwei bis drei Tagen die Woche, und kam auf jährlich an die 90 Vorstellungen, die ihrerseit vier bis zu sechs Stunden dauer konnten und am frühen Nachmittag begannen.

1722 übernahm Georg Philipp Telemann , die Leitung der Hauses, er hatte sie bis in das letzte Jahr der Spielzeit 1738 inne.

Kulturgeschichtliche Bedeutung

Die Bedeutung der Hamburgischen Oper am Gänsemarkt läßt sich von heute aus nicht mehr gerecht bemessen. Oper gehört in der heutigen Perspektive in das Feld der Musik, ein eigenes literarisches Drama muß dagegen daneben existieren. Hier lagen die Dinge in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anders: Die Oper war das Drama der Gegenwart. Sie setzte die antike Tragödie fort nach den Maßgaben der neuen verfeinerten Kultur, die für tragisch scheiternde Heroen der Antike keine Verwendung mehr hatte und mit der Unterstreichung durch Musik die Poesie vervollkomnete.

Text und Musik waren gleich bedeutend. Für Autoren war die Oper das interessanteste Feld aktueller Dramatik und Poesieproduktion. Operntexte wurden gedruckt und zu den Vorführungen verkauft. "Opern-Poeten" gaben ihre Texte im frühen 18. Jahrhundert in Werkausgaben heraus mit Stolz auf die Posie. Die Oper war Ort eines Wettstreits der Komponisten wie der Autoren, die die Textvorlagen lieferten.

Festdekoration in der Hamburger Oper anlässlich des Geburtstags von Georg I. von Großbritannien 1727
Festdekoration in der Hamburger Oper anlässlich des Geburtstags von Georg I. von Großbritannien 1727

Die Oper war darüber hinaus Ort gesellschaftlicher Repräsentation: Höfe finanzierten eigene Opern-Häuser. Theater in städtischem Besitz waren dagegen in Europa die Ausnahme. London verfügte über solche - Hamburg als die finanzkräftigste und mit über 100.000 Einwohnern an Bevölkerung reichste Stadt im deutschen Sprachraum hatte hier Chancen, mit London und Venedig sowie mit den umliegenden Höfen mithalten zu können. Die Oper entwickelte sich im selben Spannungsfeld zum Ort forwährender Auseinandersetzungen um die Sitten, die mit ihr grassierten.

Während die Geistlichkeit gegen die Opern und die von ihnen ausgehende Verführung der Sinne zur Wollust wetterte, wurde das Opernhaus der Treffpunkt des modischen Publikums der Großstadt und aller die mit dem modischen Publikum zu konkurrieren suchten. Opernsängerinnen befehdeten sich auf der Bühne. Unter den Komponisten war die Konkurrenz erbittert. Händel soll - 1704 als Geiger im Opernorchester tätig - bei Aufführung der Cleopatra in Streit mit dem Dirigenten Mattheson gekommen sein, und beide sollen sich im Verlauf noch vor dem Haus auf dem Gänsemarkt duelliert haben.

Die zweite Fassung von Christian Friedrich Hunolds Satyrischem Roman bietet 1710 lebhafte Szenenschilderungen aus dem Haus:

Selander und Tyrsates [...] wolten in Par Terre ihren Platz nehmen; allein die übrigen, die hier mehr bekannt, trugen kein Belieben darzu, die Ursachen waren: weil unter denen Cavalliers und andern ehrlichen Leuten vor dem Orchester so viele Jungen in grossen Paruqven hin und wieder liefen, und bald jene Zoten von den Opern-Frauenzimmer plauderten, daß man in seiner besten Aufmercksamkeit offt gestöhret wurde. Setzte man sich nun auf die Bäncke, so fanden sich an einem ob wol so vollkommenen honnetten Orte Kupplerinnen und andere unehrbahre Krams-Vögel ein, die sich inzwischen so propre gekleidet, daß sie mancher vor was rechtschaffenes hielte, und die von solcher Freyheit, andere unaufhörlich zu Discoursen zu nöthigen, und sie dadurch zu incommodiren.
Demnach entschlossen sie sich, eine feine Loge zu wählen; welches denn kaum noch Zeit, sintemahl so vieler Zulauff von Personen war, daß sich endlich ein mangel daran eräugnete.
Die Ouverture ließ sich wohl hören, und bey Eröffnung des Theatri fiel ihnen viel angenehmes ins Gesicht. Das Frauenzimmer darinnen war theils schön, vortrefflich im Singen, annehmlich in Actionen, und an den Manns-Personen theils die Italiänische Delicatesse der Music und Stimme, an denen meisten was gutes, und an den wenigsten ein grosser Tadel; die Music hatte imgleichen viel schönes, artiges und liebliches in sich; dem Theatro fehlte eine hübsche Grösse und Höhe nicht, und die Verwandlung samt der gantzen Ausschmückung des Schau-Platzes waren wohl inventirt und propre, oder nach einer dasigen Theatralischen Art zu reden, von besonderer Magnificence.

Es kommt in der längeren Romanszene zu einem Wettstreit der Sängerinnen, für den ein Regen kleiner gedruckter Zettelchen mit Lobesversen auf die Damen vorbereitet ist. Der Opernpoet und Infrastruktur des Hauses geraten in den Blick:

[...] dort stehet er am Orchester bey des Juden seine Bude, und trincket Coffee.
Sie wendeten hierauf fast kein Auge von ihm, und wurden gewahr, wie er bald mit diesem, bald mit jenem redete; jetzt vor dem Orchester, und nun zwischen den Bäncken stunde, und discourirte; und das Par Terre, sans comparaison, wie ein Hüner-Hund durchkroch.
Was hat denn dieses zu bedeuten, fragte Selander, daß der Hr. Poet so sehr beschäfftiget bey den Leuten ist?
Er erklährt ihnen theils, was sie nicht verstehen, berichtete ein anderer, weiset anbey, wo eine schöne Passage kömmt, damit er sie zur Andacht beweget; und fraget sie ob ihnen die Opera nicht wohl gefallen?

Die Interaktion des Opern-Poeten finet sich 1713 in einem zweiten Roman weiter ausgespielt. Im Närrischen [...] Cupido [...] von Selamintes (Leipzig/ Hall/ Hamburg, 1713) Seite 98-106, lassen sich die galanten Helden auf ein Gespräch mit dem ihm ein, und bedienen ihn mit dem Lob, das er hören will. Der Poet offenbart in seiner Dankesantwort, daß die Oper mit doppeltem Boden spielt, und skandalös entschlüsselt werden kann:

Hören meine Hoch-und Vielgeehrte Herren diese lustige Aria mit einem Nachdencken an, die ich nicht pour rire hinein gerucket! En fin! Ich will ihnen im Vertrauen sagen, daß darin auf den B. von S. gestichelt wird: Sehen sie, wie tecte sich ein Anbetter der edlen Poësie gegen die unbefugten Feinde derselben revanchiren könne!

Bei Menantes revangierte sich eine Hamburgerin auf derbere Art für die Zeilen, die auf sie gemünzt waren:

In diesem angenehmen und von der edlen Poesi[e] handelnden Discoursen stöhrte sie die Stimme einer Weibs-Person, welche zur Treppen hinunter polterte, und schrye: Der Schelm, die kleine Can. soll mich der eine Hure nennen? De Dyfel schal ehn halen? und was vor Schand-Wörter mehr aus einem tollen Weiber-Maule in die Furie heraus purtzelten.
Der Lärmen ging neben den Opern-Logen hinunter, daß fast ein jeder hinaus lief, um sich nach der Ursache zu erkündigen. Da erfuhren unsere Cavalliers, zu ihrer höchsten Verwunderung, daß dieses eine Person sey, von welcher der Poet einige schimpfliche Verse gemacht wie er sich denn derselben ausdrücklich gerühmt; dadurch sie der Eyfer vor ihr Renommée so eingenommen, daß sie sich eigenhändig an dem Poeten rächen wolte.
Diese Comoedie hub sich auch alsobald Par Terre an: sie lief als eine wilde Sau, der man die Jungen geraubt, unter die Leute, sahe sich nach ihren vermeynten Ehrenschändern um, und weil ihr der gute Mensch gleich entgegen kam, und vielleicht aus Par Terre auf das Theatrum gehen wolte, so that sie erst einen verzweiffelt schimpflichen Eingriff in dessen Reputation mit allerhand garstigen Tituln, hernach aber seine Paruqve, zerrete ihn die vom Kopff, und tapte mit ihren Händen wichtig auf seine kleine Nase, und sein subtiles Ingenium.

Zuschauer wissen von den Proben zu erzählen, in denen der Opern-Poet Regie führte - Selamintes:

Ach wenn sie doch diesen geheimen Rath des Apollo gestern bey der Probe gesehen hätten, fieng jener wieder an, wie geschäfftig er sich erwiese, die Acteurs zu unterrichten, auf was Weise sie ein jedes verliebtes, trauriges oder zorniges Wort mit allen Gliedmassen recht natürlich außdrücken solten. Ich glaube, sie hätten sich schäckicht über seinen Ampts-Eiffer lachen müssen, wenn es nicht alles nach seiner eigensinnigen Phantasey außfiel. Er knirschte mit den Zähnen, fuchtelte mit den Händen, und stampffete so hefftig mit den Füssen, daß ein guter Freund ihn bitten muste, des Theatri zu verschonen, damit es nicht über einen Hauffen fallen möchte. Aber er wurde von der lustigen Person nachdrücklich bezahlet. Dieser Vogel hatte ein Liecht in der Hand, und da er hinter dem Vizli Puzli, der sich über den Stuhl der Jucunda gelehnet hatte, vorbey gieng, steckete er ihm gleichsam von ohngefehr die schöne Poetische Staats-Parucke an, die augenblicklich lichter-loh an zu brennen fieng, und dem Herrn bald den Verse-Kasten angezündet hätte.

Literatur

  • Werner Braun, Vom Remter zum Gänsemarkt: aus der Frühgeschichte der alten Hamburger Oper (1677-1697) [=Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft, N.F., Bd. 1] (Saarbrücken: Saarbrücker Druckerei und Verlag, 1987). ISBN 3-925036-17-2
  • Hans Joachim Marx/ Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper: Katalog der Textbücher (1678-1748) (Laaber: Laaber-Verlag, 1995). ISBN 3-89007-268-2
  • Birgit Kiupel, "'Ick segg dat Lohn is man een Quarck.' Dienstmädchen und weibliche Dienstbarkeit. Zur Geschlechter-Politik auf der Hamburger Gänsemarkt-Oper (1678-1748)", in Gabriele Busch-Salmen, Eva Rieger (Hg.), Frauenstimmen, Frauenrollen in der Oper und Frauen-Selbstzeugnisse (Herbolzheim: Centaurus, 2000). ISBN 3-8255-0279-1
  • Olaf Simons: Marteaus Europa oder der Roman, bevor er Literatur wurde: eine Untersuchung des deutschen und englischen Buchangebots der Jahre 1710-1720 (Amsterdam: Rodopi, 2001), darin die Opernszenen aus den zitierten Romanen vollständig S.333-338. ISBN 90-420-1226-9

Wikipedia

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